DIETER THOMAS HECK
: Das Kaufhaus

Die Frau an der Kasse ist ein Wimperntier

Berlin, Alexanderplatz. Ich komme aus der U-Bahn-Station und steige über die Treppe 24 („Tr. 24“) nach oben, ans heute kaum vorhandene Tageslicht. Es prasselt ein langweiliger, schmutziger Regen herab. Ein gehässiger Wind weht dazu. Es ist einer dieser trüben Herbsttage, immerhin ist es schon Dezember, der November fiel weitgehend aus, weil er so gülden war und mild. Jetzt aber fallen Adventszeit und Herbst in eins – auch nicht schön.

Kurz darauf stehe ich in der Männermode-Abteilung eines anliegenden Kaufhauses. Die Durchsage gibt bekannt, dass Dieter Thomas Heck („Die Biografie des Moderators“) in wenigen Minuten eine Signierstunde in der Literaturabteilung abhalten wird. Verwunderlich ist daran gleich zweierlei: Der alte Hitparadenmensch hat also ein Buch geschrieben? Ist dem das Geld ausgegangen, oder will er mir noch die letzten Leser abspenstig machen? Das Kaufhaus hat tatsächlich eine Literaturabteilung? Kaum zu glauben.

Auf der Suche nach Hosen gehe ich schauend und tastend an prallen Kleiderständern vorbei. Du siehst so grau aus, sagt jemand, aber wohl eher nicht zu mir.

Das unerbittliche Licht in den Umkleiden zeigt, dass auch ich gemeint sein könnte. Man fühlt sich gleich so in Lumpen gekleidet. In diesem Licht. Zeit also für eine neue Garderobe. Die von mir ausgesuchten Hosen sind schick, allerdings etwas teuer. Und niemand kümmert sich um mich, ich muss einige Größen durchprobieren, da ich meine Maße nicht weiß. Es stellt sich heraus: Sie lautet 50. Ich entscheide mich für eine gute Hose mittlerer Preisklasse und zahle mit Karte. Die Frau an der Kasse ist ein Wimperntier, das keine Augen für mich hat. Sie packt die Hose in eine Plastiktüte.

Später stellt sich heraus: Die Hose ist doch eher ein Stückchen zu kurz. Jedenfalls habe ich jetzt Angst vor der Waschmaschine.

RENÉ HAMANN