Vom Kopf bis zu den Füßen

LAMM Der beste Osterbraten kommt von der Weide aus der Region – und mit Innereien

■ Müritzlamm vom Müritzhof gibt es in Berlin bei der Biocompany oder direkt vor Ort, mehr Infos unter www.lammvielfalt.de

■ Ebenfalls Müritzlämmer züchtet der Betrieb von Klaus Schwagrzinna, das Fleisch wird über die Hakenberger Fleisch GmbH vertrieben. Dort ist auch Fleisch vom Ruppiner Weidelamm erhältlich. Mehr Infos unter www.hafleg.de

■ Restaurant Herz und Niere, Fichtestraße 31, Kreuzberg, Di.–Sa. 18–23 Uhr, www.herzundniere.berlin

■ Angelo Menta: Rauchzeichen. Das Spiel mit dem Feuer: Grillen, Kochen, Räuchern. Becker Joest Volk Verlag (2014), 192 Seiten. 29,95 €. (us)

VON ULRIKE SCHATTENMANN

Jetzt, an Ostern, seht bei vielen Familien Lamm auf der Speisekarte. Im Gegensatz zu unseren mediterranen Nachbarn wie Türkei, Frankreich oder Spanien gehört Lammfleisch hierzulande aber nicht zur Alltagsküche. Die Deutschen essen lieber Schwein. Das ist schade, denn Lammfleisch gilt als gesund; es hat zwar den typisch würzigen Eigengeschmack, den Kenner lieben und Kinder oft nicht mögen, ist aber weit entfernt von der tranig-intensiven Note eines Hammels oder Schafs. Als Lamm wird übrigens das Fleisch von Schafen bezeichnet, die nicht älter als zwölf Monate sind.

Wer ein großes Stück Lammfleisch zubereiten möchte, etwa Schulter, Haxen oder Keule, sollte die dicken Fett- und die harten Hautstellen, die Knorpel und die Sehen entfernen. Lamm eignet sich gut zum Langsam-Schmoren bei niedriger Temperatur im Ofen, sagt Kochbuchautor und Grillexperte Angelo Menta. „Noch weicher wird das Fleisch, wenn man es die Nacht vor der Zubereitung in Rotwein-Wacholder-Marinade oder Buttermilch einlegt.“

Feinschmecker unterscheiden Lammfleisch nach seiner Herkunft. Begehrt sind etwa Lämmer von den Salzwiesen der Bretagne, den Deichen Norddeutschlands oder von der Müritz. Jede Sorte hat ihr eigenes Aroma, das allerdings nur eingefleischte Lammesser erschmecken dürften. Allen gemein ist, dass die Tiere nicht eingestallt leben, sondern artgerecht gehalten werden, also viel Platz zum Grasen und Umherlaufen haben.

Das ist, zumindest in Deutschland, gar nicht so einfach: Es gibt nur noch wenig zusammenhängende Weideflächen, außerdem sind die Landpreise so stark gestiegen, dass Schäfer viel Geld dafür bezahlen müssen. Der Großteil des Lammfleischs in deutschen Supermärkten kommt tiefgekühlt aus Neuseeland. Regionales Fleisch, etwa vom Ruppiner Weidelamm oder vom Müritzlamm, findet man eher auf dem Wochenmarkt oder gleich beim Erzeuger.

Etwa beim Müritzhof am Plauer See, einem Betrieb, der nach Bioland-Kriterien wirtschaftet. Hier leben aktuell leben 500 Muttertiere mit ihren Lämmern auf dem Betrieb in der Nähe des Sees. Die Tiere verbringen fast das gesamte Jahr auf den Weiden rund um den Vierseithof und bekommen auch im Winter kein Kraftfutter, sondern ausschließlich Grünfutter wie Lupine und Hafer. „So setzen die Lämmer zwar langsamer Gewicht an als Artgenossen, die im Stall gehalten werden und Kraftfutter bekommen. Aber das Fleisch hat einen geringeren Wasseranteil und schrumpft kaum beim Braten“, sagt Geschäftsführer Matthias Ruoff.

Dazu kommt der besondere Umgang mit den Tieren bei der Schlachtung, die direkt auf dem Hof erfolgt – das ist auch bei Biobetrieben nicht selbstverständlich. Die Lämmer kommen einen Tag vor der Schlachtung von der Weide in den Stall und bleiben dort zusammen, damit sie sich gegenseitig beruhigen können. „Ein Tier, dass unter Angst geschlachtet wird, erkennt man am zähen Fleisch“, sagt Ruoff. Sein Müritzlamm steht auf der Speisekarte von Spitzen- und Gourmetrestaurants wie dem VAU. Die Küchenchefs schätzen auch die besondere Verarbeitung: Das Fleisch reift nach der Schlachtung in einer Kammer mit speziellen Kulturen am Knochen nach.

Ruoffs Betrieb liefert auf Anfrage auch Innereien, Zunge, Bäckchen oder Lammbries. So nennt man die Thymusdrüse aus dem Brustkorb des Lamms, die eine ähnliche Struktur wie das Hirn hat. Sie gilt als exklusive Delikatesse und ist mit 40 Euro pro Kilo entsprechend teuer. Aber dahinter steckt auch noch ein anderer Gedanke: Wenn Menschen ein Tier töten, um es zu essen, sollten sie das auch gründlich tun – es also ohne Ausnahme von Kopf bis Fuß verzehren.

Food-Aktivisten fordern schon länger eine ganzheitliche Verwertung „from nose to tail“. Wie das in der Praxis gelingen kann, zeigen zwei junge Gastronomen seit kurzer Zeit in Kreuzberg. In ihrem Restaurant „Herz und Niere“ verarbeiten Christoph Hauser und Michael Köhle Tiere samt Herz, Zunge oder Leber. Das sei eine „Frage der Würde und des Respekts vor dem Tier“, sagt Küchenchef Hauser. Aktuell stehen auf der Karte gebackene Lammzunge auf gekochtem Lammbries mit Rieslingsauce und konfierte Lammkeule gefüllt mit Innereien.

Lammfilet gibt es gar nicht.