Ohrenoffensive in der Neustadt

Nach Graffiti-Rüben nun gesprayte Hörmuscheln: Apotheker überlegt, umstrittene Skulptur im Kolonialstil zu entfernen

Die Möhren haben ihre Schuldigkeit getan, die Möhren konnten gehen: Zwei Monate dienten einige rote Graffiti-Rüben als Namensgeber und Fassadenzierde für die Apotheke in der Pappelstraße – früher bekannt als „Mohren-Apotheke“. Doch nichts ist von Dauer: Erneut schritten geschichtskritische Graffiti-KünstlerInnen zur Tat. In der Nacht zum Donnerstag entfernten sie „M“s und Ö-Punkte von der Leuchtreklame und versahen die Hauswände mit einigen – diesmal allerdings etwas krakelig geratenen – Ohren.

Schon die Möhren hatten – als gesundes Gemüse – einen nachvollziehbaren Bezug zu seinem Metier, auch bei den Ohren drängen sich Anwendungen geradezu auf. Dennoch steht Inhaber Ingo Holsten der pragmatischen Lösung, die StreetArt-Aktion als Anregung zur Profilbildung zu nutzen und sein Sortiment auf Wirkstoffe gegen Tubenkatarrh und andere Gebrechen am Gehör zu fokussieren, skeptisch gegenüber. Und auch sonst gedenkt er, sich unbeugsam zu zeigen: „Der Name bleibt auf jeden Fall.“ Der Kundschaft droht Verwirrung: Sobald die „Maler da waren“, soll die Apotheke wieder als „Mohren-Apotheke“ firmieren. Den wegen der abwertenden Konnotation des Wortes „Mohr“ erhobenen Vorwurf des Rassismus weist Holsten zurück: „In meinen Apotheken arbeiten türkisch- und arabisch-stämmige Kolleginnen, viele meiner Freunde sind farbig. Und die haben sich noch nie wegen des Mohrs beschwert.“

Die Apotheke blicke auf eine lange Geschichte zurück und der Name sei ein Teil davon. „Daran haben sich die Leute gewöhnt.“ Zudem sprächen symbolische Gründe für den alten Namen: „Der Mohr hat gedient. Und wir dienen ja auch der Bevölkerung.“

Einzig in der Statuenfrage könnten die antikolonialen Aktivisten demnächst einen Teilerfolg verbuchen: Die oft kritisierte, rund einen Meter große Mohren-Figur überm Eingang abzumontieren – darüber will Holsten „eventuell nachdenken.“ cja