Pflegerinnen zweiter Klasse

ARBEITENEHMERRECHTE Das Hamburger Landesarbeitsgericht verhandelt über die Rechte von Azubis der DRK Schwesternschaft im Klinikum West in Hamburg-Rissen. Das Modell steht seit Jahren in der Kritik

Das Gros der Schwestern bekommt eine Aufwandsentschädigung

Der Sonderstatus der Krankenpfleger der Deutschen Roten Kreuz (DRK) Schwesternschaften kommt ins Wanken. Heute befasst sich das Landesarbeitsgericht Hamburg mit der Anfechtung der Betriebsratswahl durch die Gewerkschaft Ver.di im Asklepios-Klinikum West in Hamburg-Rissen. Dort waren volljährige Schwesternschülerinnen von der Wahl ausgeschlossen worden, weil sie keine Arbeitnehmerinnen seien. „Diese weiblichen Auszubildenden hätten, soweit volljährig, als Wahlberechtigte auf der Wählerliste erscheinen müssen“, sagt Klaus Bertelsmann, der Anwalt der Gewerkschaft.

Seit 1956 befassen sich die Arbeitsgerichte mit dem Status der DRK-Schwesternschaften, die Pflegepersonal durch „Gestellungsverträge“ Kliniken zur Verfügung stellen. Einige der Pflegerinnen besitzen reguläre Arbeitsverträge mit den DRK-Schwesternschaften und können in Hamburg seit 2010 einen DRK-Betriebsrat im Klinikum West wählen. Das Gros der Schwestern und weibliche Auszubildende bekommen ihr Gehalt jedoch nur in Form einer „Aufwandsentschädigung für karikativen Einsatz“, was oft über Jahre geht.

Bislang segnete das Bundesarbeitsgericht (BAG) dieses Konstrukt ab. Doch nun deutet sich eine Wende an. Denn vor zwei Wochen hat ein BAG-Senat in einem Verfahren angedeutet, dass er dazu neige, die DRK-Schwestern heute als normale Arbeitnehmer mit allen Rechten anzusehen. Ein anderer BAG-Senat sieht ein rechtliches Problem, wenn die DRK-Schwesternschaft „Mitgliedsschwestern“ als „Beschäftigte“, aber ohne Rechte unbefristet einsetze, was gegen die EU-Richtlinie zur Leiharbeit verstoßen könnte. Es hat das Verfahren deshalb dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt.

Das Landesarbeitsgericht könnte diese Trendwende unterstützen und den DRK-Schwestern und Schwesternschülerinnen in Rissen den Arbeitnehmerstatus zubilligen oder auch den EuGH einschalten.

Nicht nur vor Gericht gibt es neuerdings Gegenwind für das Schwesternschaftsmodell: Das Uniklinikum Schleswig-Holstein hat den Vertrag mit dem DRK zum Jahreswechsel gekündigt. Alle Schwestern bekamen ein Übernahmeangebot – fast 90 Prozent nahmen es an.  KVA