Ministerpräsident auf Abruf

Physiognomie und Körpersprache des sächsischen Minister-präsidenten Georg Milbradt (CDU) sagten in den vergangenen Monaten eigentlich alles. Wie der untersetzte Mann nach dem Panikverkauf der Sächsischen Landesbank gebückt und mit hängenden Schultern zum Rednerpult schlich, im Zwischenhoch nach dem überstandenen CDU-Landesparteitag im September strahlte, nun wieder lümmelnd auf der Regierungsbank die Hände vor das Gesicht schlägt. Mit versteinerten Zügen musste er sich am Donnerstag anhören, wie ihn sogar der Koalitionspartner SPD für seine mangelnde Verantwortungsübernahme für das 2,7 Milliarden teure Landesbankdesaster attackierte.

Wenn dann wie mildernde Umstände nebenbei seine früheren Verdienste als Finanzminister erwähnt werden, klingt es nach Nostalgie und Abschied zugleich. Was waren das für Zeiten, als der Finanz- und Wirtschaftsprofessor mit teils ätzendem, aber konsequentem Sparkurs den Ruf Sachsens als Haushalts- und Verschuldungs-Musterknabe begründete! Als er gut gelaunt und trinkfest bei Hintergrundgesprächen so manchen Schnaps für die Journalisten springen ließ! Diesen Georg Milbradt vermisst man seit längerem. Mauern, lauern, taktieren, brüskieren – so scheint er inzwischen defensiv zu agieren statt souverän zu führen. Kulturleute mochten ihn freilich noch nie, aber dass er über seine ureigensten Domänen Finanz- und Sicherheitspolitik stolpern könnte, überrascht immer noch ein wenig. Sachsensumpf, Rechtsextremismus, Landesbank geben einige Stichwörter.

Kurt Biedenkopf hatte den intelligenten, aber etwas ungeschlachten Stadtkämmerer von Münster 1990 als Finanzminis-ter ins erste sächsische Kabinett geholt. Einen 1945 geborenen Sauerländer mit ostpreußischen Vorfahren, der zu diesem Zeitpunkt auch schon eine akademische Parallelkarriere vorweisen konnte. Zwischen beiden krachte es nicht erst 2001, als ihn Biedenkopf wegen mangelnder Loyalität entließ und sich Milbradt nach dessen Straucheln ein Jahr später als Nachfolger anbot. Damals galt er der gleichfalls kränkelnden Sachsen-Union noch als sicherer Machtgarant. Ein Irrtum. Vom Schock des Stimmensturzes um 16 Prozent bei der Landtagswahl 2004 haben sich beide bis heute nicht erholt.

Für ostdeutsche Verhältnisse bleibt Sachsen zwar weiterhin wirtschaftlich erfolgreich. Politisch ist es hingegen eher zu einer Krisenregion geworden. Das macht Milbradt nicht eben beliebter. Nicht für alles ist er verantwortlich. Doch der CDU-Spitzenkandidat zur Landtagswahl 2009 wird nicht Georg Milbradt heißen.

MICHAEL BARTSCH