Mosaik aus Leberwurst und Cranberries

BROTZEIT Eine professionelle Hamburger „Stullen-Bauerin“ bringt ein Stück Kindheit zurück in die Münder

Jule Bauer konnte sie nicht mehr sehen – die ewigen Bagels, Remoulade-Brötchen und Sandwiches. Stattdessen sehnte sie sich nach der guten, alten Stulle. Die mit dem Vollkornbrot, das satt macht, und dem Aufstrich, der kreativer ist als nur Käse oder Wurst. Vor einem Jahr gründete sie aus dieser Sehnsucht ihre Firma „Stullenbauer“, einen Lieferservice, der vor allem auf Nachhaltigkeit setzt.

„Meine Stullen sind zu 100 Prozent aus Bio-Zutaten und wenn möglich von Händlern aus der Region“, erzählt Jule Bauer. „Weil ich gezielt bestelle und nichts lagere, werfe ich fast nie etwas weg.“ Der reflektierte Umgang mit Essen ist ein Muss für die „Stullen-Bauerin“. Sie findet es absurd, dass „immer alles da sein muss im Supermarkt und aus dieser Mentalität heraus so wahnsinnig viel Essen weggeworfen wird“.

Die Brote für ihre Lieferungen schmiert Jule Bauer frisch, mit Ausblick auf einen riesigen gemalten Kirschbaum an der Wand. 24 Aufstriche stellt sie dafür aus eigenen kreativen Kräften her. Am liebsten mit Frischkäse als Basis und aus saisonalen Lebensmitteln. Die Stullen liefert Jule Bauer auf Buchenbrettchen oder wickelt sie als Klappbrot in blau-weiß kariertes Papier. Bei „Brettlieferung“ entstehen auf dem Tisch der Kunden Landschaften aus Farbe und Form: vom leuchtend-orangenen Kürbisaufstrich bis zum bergigen „Geißenpeter“ mit Ziegenkäse, Lavendelhonig und Salat.

„Irgendwann ist mir aufgefallen: Mensch, Jule, genau das was du hier machst, hast du doch früher schon mit Oma gemacht: Stullen dekoriert“, erinnert sich Bauer. Nach dem Abitur kam für die 47-Jährige erstmal eine Friseurausbildung. Eigentlich wollte sie Bäckerin oder Konditorin werden. „Das war nur damals nicht so offen für Frauen“, sagt sie. Ihre zusätzlichen beruflichen Erfahrungen aus dem Einzelhandel und einem Biosupermarkt hat sie kombiniert und in ihre eigene Idee eingebracht.

Mit Erfolg: Jule Bauer beliefert 60 feste Kunden, darunter Werbeagenturen und Rechtsanwälte. Der „Retro-Stil“ der Stullen komme gerade in der Kreativwirtschaft gut an, das wecke so eine Art Nostalgie, sagt sie. Ihre abgefahrenste Kreation? Jule Bauer überlegt kurz: „Bergkäse mit Blutorangenmarmelade. Oder Kichererbsenaufstrich mit Ingwer, Chili, Mango und Koriander. Das ist richtig, richtig lecker.“ Einen „Stullen-Laden“ gibt es nicht, wer die Brote außerhalb einer Lieferung probieren möchte, kann das im Café Black Delight in Eimsbüttel tun. JOHANNA LEPÈRE