Wohin zum Ostermarsch?

TAZ-RATGEBER In der Friedensbewegung rumort es, seit die Kampagne „Friedenswinter“ die Montagsmahnwachen mit der Friedensbewegung vereinen wollte. Wer wo demonstriert:

■ Treffpunkt: Montag, 12 Uhr, bei der Erlöserkirche.

■ Stammpublikum: Das sogenannte Mahnwachenspektrum mobilisiert in Hamburg mit und dürfte beim Ostermarsch gut vertreten sein. Die Hamburger Linkspartei sah sich schon genötigt, in einem separaten Flugblatt ein klares Bekenntnis zum Antifaschismus einzufordern. Darin heißt es: „Die Forderungen sind richtig, aber unter den Unterzeichnern finden sich Aktivistinnen und Aktivisten der Mahnwachen, die offen sind für Antisemitismus und Verschwörungstheorie!“ Zuletzt wurden Hamburger Aktivisten aus diesem Umfeld kritisiert, weil eine ihrer Rednerinnen auf einer Veranstaltung aufgetreten war, bei der auch der Rechtspopulist Jürgen Elsässer sprach. Als Redner in Hamburg geladen ist allerdings auch einer der größten Kritiker der Mahnwachenbewegung, Monty Schädel, der Rechtsausläufern in der Bewegung immer wieder die Leviten gelesen hat – und dafür von einigen Hamburgern auch scharf angegangen wurde.

■ Tagessoll: Es gibt eine Auftaktkundgebung und eine Demo durch die Stadt. Frage des Tages: Wie werden die Redner miteinander umgehen?

■ Stresspotenzial: hoch. In Hamburg wird es sicher besonders interessant.

■ Treffpunkt: Samstag, 12.30 Uhr, auf dem Kröpcke.

■ Stammpublikum: die üblichen Friedensgruppen. In diesem Jahr plus DGB.

■ Tagessoll: Unter dem Motto „Krieg beginnt hier – stoppen wir ihn hier“ ist eine Kundgebung geplant. Sie richtet sich auch gegen den Ausbau des Fliegerhorsts Wunstorf zum Luftdrehkreuz für Auslandseinsätze und gegen die Rüstungsproduktion von Rheinmetall in Unterlüß.

■ Stresspotenzial: vorhanden. Die Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Rechtsextremismus/Antifaschismus der niedersächsischen Linkspartei gaben eine Pressemitteilung heraus, in der sie beklagten, dass es in der Partei Stimmen gebe, die sich dem rechten Verschwörungstheoretiker Ken Jebsen „freundlich verbunden“ fühlten. Jebsen ist prominenter Unterstützer des „Friedenswinters“. Aber Brunhild Müller-Reiß vom Friedensbüro Hannover verspricht, dass Teilnehmer, die durch rechte Positionen auffallen, vom Ostermarsch ausgeschlossen werden sollen.

■ Treffpunkt: Samstag, 10.30 Uhr, an der Kuhstraße.

■ Stammpublikum: älter gewordene Friedensbewegte.

■ Tagessoll: Die Demo führt zum Hauptbahnhof – von dort fahren die Teilnehmer um 13.30 Uhr mit der Bahn nach Düsseldorf.

■ Stresspotenzial: Bei der Auftaktkundgebung in Duisburg spielt die umstrittene Politpopband „Bandbreite“, der vorgeworfen wird, nach rechts offen zu sein. Das Duisburger Friedensforum hat sich geweigert, die Band wieder auszuladen. Aktivisten aus den Nachbarstädten wollen während des Konzerts Protest-Flugblätter verteilen. Viele Stammgäste haben angekündigt, den Marsch zu boykottieren.

■ Treffpunkt: Montag, 14 Uhr, Gewerbegebiet.

■ Stammpublikum: Der Klassiker der Friedensbewegung – Ostermarsch Büchel am Fliegerhorst. Hier sind besonders jene unterwegs, die schon seit Jahrzehnten gegen Atomwaffen kämpfen. Der Luftwaffenstandort der Bundeswehr gilt als einziger deutscher Ort, an dem US-Atomwaffen gelagert werden. Die Luftwaffe soll hier innerhalb des Nato-Verbundes an der Ausbildung von Piloten beteiligt sein. Bereits seit dem 26. März findet in Büchel eine gewaltfreie Blockadeaktion statt.

■ Tagessoll: einmal zum Horst und zurück.

■ Stresspotenzial: überschaubar, aber vorhanden. Besonderes Augenmerk wird auf dem Redner Reiner Braun von den Internationalen Juristen und Juristinnen gegen den Atomkrieg liegen. Er hat gerade erst seine Sprechertätigkeit im Dachverband der Friedensbewegungen vorübergehend ruhen lassen, weil er als einer der großen Befürworter der Öffnung hin zu den Mahnwachen galt – und offenbar dadurch unter Druck geraten war.

■ Treffpunkt: Patch Barracks, Hauptquartier der US-Streitkräfte in Europa, 12 Uhr.

■ Stammpublikum: klassische Friedensbewegung, manche Teilnehmer waren schon bei der Menschenkette 1983 dabei, einer Großdemonstration zwischen Stuttgart und Ulm.

■ Tagessoll: Ostermarsch durch die Innenstadt.

■ Stresspotenzial: gering. Vergangenes Jahr war unter dem Namen „Friedensbewegung 2014“ eine kleine Gruppe aufgetaucht. Ihr war der Begriff „Volkssouveränität“ wichtig, was Misstrauen in der klassischen Friedensbewegung weckte. Inzwischen habe sich die Gruppe aufgelöst, heißt es.

■ Treffpunkt: Samstag, 14 Uhr, am Anger.

■ Stammpublikum: Vor allem die Wähler der Linkspartei kommen hier zusammen – da die Linke in Thüringen Volkspartei ist, eher ein bürgerliches Spektrum. Am Samstag ruft die Thüringer Linksjugend Solid zur Demo auf, das sind die jungen Wilden.

■ Tagessoll: Bereits am Donnerstag gab es eine Demo, am Samstag folgt die nächste.

■ Stresspotenzial: gegeben. Immerhin fand in Erfurt im Januar die erste rechte „Endgame“-Demonstration mit vermeintlich friedensbewegten Positionen statt. Endgame steht für „Engagierte Demokraten gegen die Amerikanisierung Europas“ und vertritt eine antiamerikanische Pauschalkritik – so wie sie auch unter Hardcore-Antiimperialisten aus dem linken Spektrum zu finden ist.

■ Treffpunkt: Samstag, 14 Uhr, am Gedenkstein der Opfer des Faschismus.

■ Stammpublikum: In der Vergangenheit war Ohrdruf zentraler Sammelpunkt für den Thüringer Ostermarsch. Der findet jetzt in Erfurt statt. In Ohrdruf treffen sich aber noch ein paar Verbliebene. Schätzungsweise rund ein Dutzend ganz klassische Antifaschisten, eher ein Freundeskreis. Im DDR-sozialisierten Ohrdruf fühlen sich die Antifaschisten nicht nur den amerikanischen, sondern auch den russischen Befreiern des zweiten Weltkrieges sehr verbunden.

■ Tagessoll: Es geht zum Gedenkstein der Opfer des Faschismus in Ohrdruf. Anschließend gibt es eine Busfahrt zur Gedenkstätte der KZ-Außenstelle Buchenwald.

■ Stresspotenzial: Querfront am Gedenkstein? Nicht mit den paar Leuten.

■ Treffpunkt: Samstag, 12 Uhr, am Bahnhof Friedrichstraße, vor dem lokalen Büro der Bundeswehr.

■ Stammpublikum: Klassiker der Friedensbewegung in ihrer schönen Breite – von der Deutschen Friedensgesellschaft bis zu den Naturfreunden. An sich unverdächtig.

■ Tagessoll: Es gibt eine klassische Latschdemo mit Reden von gemäßigt Linken.

■ Stresspotenzial: ist Überraschungssache. Weil Berlin ein heißes Pflaster der Mahnwachen-Bewegung ist, wird sich erst auf der Straße zeigen, wer sich alles unterhakt. Zuletzt trug hier bei einer Demonstration vor dem Bundespräsidialamt der antiimperialistische Linkspartei-Politiker Diether Dehm gemeinsam mit dem Mahnwachen-Organisator Lars Mährholz und dem umstrittenen Medienaktivisten Ken Jebsen in trauter Eintracht das Frontbanner des sogenannten Friedenswinters durch die Gegend. Die Ostermärsche selbst sind allerdings kein offizieller Teil des Friedenswinters. In ganz Deutschland finden über 70 Ostermärsche statt: www.ostermarsch-info.de und www.ostermarsch.info (Karte)

TEXTE MARTIN KAUL
, ANJA KRÜGER
, LENA MÜSSIGMANN
UND ANDREAS SPEIT
ILLUSTRATION MICHAEL SZYSZKA