Karim will endlich was lernen

BILDUNG II Asylsuchende Kinder sind schulpflichtig – trotzdem müssen sie oft lange auf einen Schulplatz warten. So wie die drei Brüder aus Afghanistan

Karim Akram* hat die Arme vor der Brust verschränkt und zieht einen Schmollmund. Der Siebenjährige ist sauer auf die Schule. Nicht etwa weil er zu viele Hausaufgaben machen muss, sondern weil er gar keine aufhat. Der Junge wartet, obwohl er schulpflichtig ist, seit vier Monaten auf einen Schulplatz. Seine Mutter sitzt im Beratungszentrum des Flüchtlingsrats in der Turmstraße und erzählt, wie sie Ende August mit ihren drei Söhnen vor dem Krieg aus Afghanistan geflüchtet ist. Karim habe dort einen Monat lang die Schule besucht und gerade angefangen, das Alphabet zu lernen. „Das habe ich bestimmt bald wieder vergessen“, beschwert sich der Junge. Er spricht Persisch, eine Mitarbeiterin des Flüchtlingsrats übersetzt ins Deutsche.

Neu angekommene Flüchtlingskinder werden von den jeweiligen Schulämtern der Bezirke zusammen mit der Schulaufsicht der Senatsverwaltung registriert und an die Schulen verteilt. „Die Wartezeit beträgt im Durchschnitt über vier Monate“, sagt Walid Chahrour, Vorstandsmitglied des Flüchtlingsrates. Zurzeit betreue die Beratungsstelle des Rates zehn Kinder bei der Schulsuche. Nur wenige Berliner Schulen bieten besondere Lerngruppen für Flüchtlingskinder an. Vor dem Hintergrund gesunkener Flüchtlingszahlen wurden 2004 viele Klein- oder Willkommensklassen, die fremdsprachige Kinder ohne Deutschkenntnisse auf den Regelunterricht vorbereiten, abgeschafft.

Auf einmal ging’s doch

Karims Mutter erzählt, ihre drei Söhne hätten zwei Monate lang auf der Warteliste des Schulamts Lichtenberg gestanden. Ihre Nachfragen seien mit der Auskunft abgewehrt worden, sie solle auf einen Brief warten, der die Schulen bekannt gibt, die ihre Söhne besuchen können. Gleichzeitig hat sie mit ihrem ältesten Sohn, der etwas Englisch spricht, bei den Schulen direkt nachgefragt. Bei zweien sei sie abgewiesen worden, bei der dritten habe es dann geklappt, so die Mutter. Die beiden Älteren besuchen seit Mitte Dezember eine Kleinklasse an der Integrierten Sekundarschule Keith-Haring-Schule in Lichtenberg. „Auf einmal ist es sehr schnell gegangen“, erzählt Karims Mutter, „innerhalb einer Woche ist die Entscheidung gefallen, dass die beiden einen Platz bekommen.“

Karim allerdings muss noch immer warten. Bis jetzt konnte noch keine Grundschule gefunden werden, die ihn aufnimmt. „Ich bin zuerst dran, in die Schule zu gehen“, beschwert er sich bei seinen großen Brüdern. „Das ist unfair.“ JULIA KOHL

* Name geändert