DDR-Wind bis nach Afrika

■ Seit sechs Wochen gehen in Westafrika Studenten und Staatsbeamte auf die Straße / Proteste gegen Diktatoren wecken Argwohn in Paris / Jetzt kommt auch Rassismus auf

„Ich hoffe, daß der Wind aus dem Osten jetzt genauso stark in Afrika blasen wird, so daß der afrikanische Kontinent nicht mehr Schlußlicht in Sachen Demokratie bleibt“. Diese Äußerung des gabunesischen Oppositionspolitikers Pierre Mambundu im französischen Fernsehen wurde ihm zum Verhängnis. Am Tag darauf, um 6 Uhr früh, holte ihn die Polizei aus seiner Pariser Exilantenwohnung. Mit einem „dringlichen Ausweisungsbefehl“ des Innenministers ausgestattet, setzte sie ihn schon fünf Stunden später ins Flugzeug. In seinem Heimatland erwartet ihn eine Anklage wegen Hochverrats.

Die vor dreißig Jahren von Frankreich eingesetzten Diktatoren Westafrikas kämpfen inzwischen ums politische Überleben. Seit Jahren schon herrscht eine Krise, die 'Le Monde‘ so beschreibt: „Die Exportpreise fallen und entziehen den Ländern den größten Teil ihrer Einkommen, die Verschuldung steigt und zwingt sie zu einer Austeritätspolitik mit verheerenden Auswirkungen auf den schon jetzt minimalen Lebensstandard der Bevölkerung. Somit kommt die Zeit der Demonstrationen, und den Ton geben entweder Studenten an, die sich von vornherein zur Arbeitslosigkeit verdammt wissen, oder Beamte, welche oft monatelang auf Gehälter warten müssen, mit denen jeder von ihnen Dutzende von Menschen ernährt“.

Die „Zeit der Demonstrationen“ begann Mitte Januar im sich marxistisch-leninistisch nennenden Benin, mit dem Ergebnis, daß die Regierung am 19. Februar eine Nationale Konferenz einberief. Diese setzte erstmal die Verfassung außer Kraft und machte sich dann an den Neuaufbau des Staatswesens. Da dies in der französischen Presse zum afrikanischen Pendant der Nationalversammlung von 1789 hochgejubelt wurde, breiteten sich die Lüfte der Demokratie schnell aus - nach Senegal, in den Gabun und die Elfenbeinküste. Mit der Unruhe in diesen pro-westlichen Staaten endete jedoch der Pariser Jubel.

Als dann auch noch die Regierung Gabuns zurücktrat, handelte Paris: Mambundu, als Drahtzieher verdächtigt, wurde ausgewiesen. Wenige Tage später, am Wochenende des 2.-3. März, erlebte die Hauptstadt der Elfenbeinküste, Abidjan, die bisher schwersten Unruhen, in denen Demonstrationszüge immer wieder von Spezialeinheiten der Armee auseinandergejagt wurden. Die Proteste hier richten sich auch gegen die an Ceausescu erinnernden Allüren des Präsidenten Felix Houphouet-Boigny, der die Exporterlöse der letzten Jahren mit Vorliebe für den originalgetreuen Nachbau des vatikanischen St. Petersdoms in seinem Heimatland verplemperte. Der Aufruhr zwang ihn jetzt, eine geplante allgemeine Lohnkürzung um 15-40 Prozent vorerst auszusetzen.

Wie auch der Präsident Gabuns macht Houphouet-Boigny das Ausland für die Lage verantwortlich. Seit Jahrhunderten sind arabische Händler in Westafrika ansässig, und sie werden seit jeher gern von den Machthabenden als Sündenböcke mißbraucht. Am Protestwochenende in Abidjan hielten die meisten libanesischen Händler aus Angst ihre Läden geschlossen. Und am darauffolgenden Montag rief der Präsident die Bevölkerung auf, sich an die arabischen „Gauner“, welche die wahren Schuldigen an der Misere seien, zu erinnern.

Dominic Johnson