Blumen von Hoechst

■ „Liebe, Frauen und Blumen“ - der kolumbianische Film von Martha Rodriguez über einen Pestizidskandal - lief auf dem Frauenfilmfestival in Creteil. Ein Gespräch

Rund 60.000 Kolumbianerinnen und Kolumbianer (80 Prozent Frauen) arbeiten in den Treibhäusern, in denen Blumen für reine Exportzwecke gezüchtet werden. Zur Schädlingsbekämpfung und längeren Haltbarkeit der Blumen werden hochgiftige Stoffe und Pestizide verwendet, die in Europa verboten sind. Laut Martha Rodriguez sind an dem Pestiziden- und Blumengeschäft ein ganzes Netz von Personen und Konzernen beteiligt, unter anderem Hoechst und Bayer. Die Verwendung der Pestizide hat verheerende Auswirkungen auf die Gesundheit, zahlreiche Arbeiterinnen und Arbeiter starben bereits. Trotz massiver Drohungen wurde der Film bereits in Bogota und im englischen Fernsehen gezeigt; im Mai wird er in West-Berlin zu sehen sein.

taz: Martha Rodriguez, wie sind Sie auf dieses Thema gestoßen?

Rodriguez: In einer psychiatrischen Klinik traf ich vor Jahren auf eine junge Frau, die ständig schrie: Ich bring‘ sie um! Sie litt unter furchtbaren Angstzuständen. Sie erzählte mir, daß sie in der Blumenindustrie gearbeitet habe und schwer erkrankt sei. Bei meinen Recherchen fand ich heraus, daß sie kein Einzelfall war. Die verwendeten Pestizide haben bei zahlreichen Frauen das vegetative Nervensystem zerstört, viele sind an Asthma, Epilepsie, Depressionen und Leukämie erkrankt. Einige sind gestorben, ohne daß sich irgendjemand dafür interessierte. Mein Bruder, der als Arzt in der Krankenannahme arbeitet und seit zehn Jahren mit diesen erkrankten Frauen konfrontiert wird, sagte mir: Wenn das so weitergeht, wird bald eine Art Konzentrationslager entstehen. Die Männer und Frauen sterben, ohne daß jemand Interesse an der Aufklärung der Ursachen hat.

Welche Rolle spielen die Konzerne Hoechst und Bayer in diesem Skandal? Ist die kolumbianische Regierung informiert?

Schering, Bayer und Hoechst haben Filialen in Bogota und keinerlei Interesse daran, daß der Zusammenhang zwischen den in Europa verbotenen und in Kolumbien verwendeten Pestiziden und den Krankheits- und Todesfällen aufgedeckt wird. Dasselbe gilt auch für die kolumbianische Regierung, die bestens Bescheid weiß. Als die Arbeiterinnen und Arbeiter 1987 drei Monate streikten, versprach der Arbeitsminister öffentlich, sich um die Rechte und die Gesundheit der Arbeiterinnen und Arbeiter zu kümmern. Der Streik, den wir filmen konnten, wurde jedoch mit Tränengas und Waffengewalt beendet. Es gibt zu viele mächtige und kapitalträchtige Leute, die in diese Geschichte verwickelt sind. Wissen Sie, bei uns gibt es viel Korruption und vor allem Leute, die durch Kokain reich werden. Das ist noch ein besonderes Problem: Es gibt Kapitalisten, die ihre Arbeiterinnen und Arbeiter zwingen, Kokain in den Blumenkartons zu verstecken. Das ist auch der Grund, warum einige Treibhausbesitzer innerhalb kürzester Zeit sehr reich werden.

Wie hat man denn auf diesen Film in Bogota reagiert?

Es hieß, er sei wissenschaftlich nicht haltbar. Eine amerikanische Universität wurde mit rund einer Million Dollar von den Firmenbesitzern für den „Nachweis“ bezahlt, daß die Pestizide keinerlei Auswirkungen auf die Gesundheit hätten. Eine der Frauen aus meinem Film, die ein Auge verloren hat, wurde hinterher verhört, warum sie mitgemacht hätte. Sie hatte so schreckliche Angst, daß sie aus dem Film herausgeschnitten werden wollte. Übrigens wirken sich die Pestizide nicht nur auf die Gesundheit der Menschen aus, sondern auch auf den Boden. Die Ökologen in Kolumbien sagen: In zehn Jahren wird der Boden vollständig zerstört sein.

Sind Sie selbst bedroht worden?

Ich arbeite seit 22 Jahren im Filmbereich. Mein Mann und ich sind oft bedroht worden. Als im deutschen Fernsehen vor einiger Zeit ein Film über die Ermordung von Indianern durch die Militärs gezeigt wurde, durchsuchte man unsere Wohnung und vernichtete Filmkopien. Übersetzung und Interview

Gabriele Mitta