Folter nach Abschiebung aus Cloppenburg

■ Abgeschobener Asylbewerber mit seinem Vater vom syrischen Geheimdienst gefoltert

Schreckliche Folgen hatte die Abschiebung der syrischen Familie Chaker: Wie jetzt durch einen Telefonanruf des Vaters bekannt wurde, sind er selbst und der älteste Sohn vom politischen Sicherheitsdienst in Damaskus drei Tage inhaftiert und gefoltert worden. Die Ausweisung der Familie ist von Fehleinschätzungen und Unregelmäßigkeiten der deutschen Behörden gekennzeichnet.

Das Verwaltungsgericht Oldenburg hatte im Herbst letzten Jahres Farhou Chakers Asylantrag — und damit nach gängigem Recht gleichzeitig die Anträge seiner Frau und der fünf Kinder — abgewiesen. In der Urteilsbegründung sahen die Oldenburger Richter „keine Anhaltspunkte dafür, daß sie im Falle einer Rückkehr einer Verfolgung ausgestzt wären“.

Es sollte anders kommen: Die gesamte Familie ist am 15. Dezember nach ihrer Abschiebung in Damaskus von der Flughafenpolizei sofort verhaftet worden. Danach wurden er und der älteste Sohn Fahrad vom politischen Sicherheitsdienst übernommen, der Rest der Familie konnte in ihr rund 700 Kilometer entferntes Heimatdorf Kamsli zurückkehren.

Der Sicherheitsdienst folterte Vater und Sohn drei Tage lang: Sie wurden gefesslt in Autoreifen gesteckt und auf die Fußsohlen und andere Körperteile geschlagen. Nach den Mißhandlungen ließ man sie nach Kimsli fahren mit der Auflage, einmal im Monat beim Geheimdienst in Damaskus zu erscheinen.

Bei der Ausweisung am 15. Dezember hatte es einige Unregelmäßigkeiten gegeben. Die Abschiebung der fünf Kinder war rechtswidrig, da ihre Namen auf der Ausweisungsverfügung fehlten, die von der Ausländerbehörde in Bonn an den zuständigen Landkreis Cloppenburg geschickt wurde. Der Anwalt der Familie, Rolf Dittmar, beantragte in letzter Minute beim Verwaltungsgericht Oldenburg einen Aufschub der Abschiebung.

Der Richter Hubert Heuer schreibt in seinem Vermerk vom 15.12. dazu: „Eine Abschiebeandrohung war seinerzeit nur an die Antragsteller 1) und 2) (die Eltern, d.Red.) ergangen. Ich habe deshalb mit dem Antragsgegner (Ausländerbehörde Cloppenburg,d.Red.) fernmündlichen Kontakt aufgenommen und darauf hingewiesen, daß es für eine Abschiebung der Antragsteller zu 3) bis 7) (die Kinder, d.Red.) an einer Rechtsgrundlage fehle.“ Weiterhin heißt es in dem Vermerk, daß die Eltern „ausdrücklich darauf hingewiesen werden müßten“, daß eine Abschiebung der Kinder nur dann erlaubt sei, wenn „dies freiwillig erfolge“.

Die Ausländerbehörde Clpppenburg habe daraufhin den Grenzschutz über den Sachstand informiert, steht in dem richterlichen Vermerk. Dieser behauptet, daß die Kinder „offenbar bereit gewesen seien, gemeinsam mit den Eltern auszureisen“. Allerdings hat anscheinend niemand die Eltern ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Kinder auch in Deutschland hätten bleiben können. Mustafa Chaker, ein weiterer Sohn der Familie, der noch in Deutschland lebt: „Mein Vater hat mir gesagt, daß ihn niemand gefragt hat, ob die Kinder mitsollen. Sie sind einfach alle in das Flugzeug gesetzt worden.“ Sein Vater hat ihn letzte Woche erstmals aus einem Hotel in Damaskus angerufen. Allerdings hätte er nur sehr kurz mit ihm sprechen können, weil zu befürchten ist, daß die Telefone abgehört werden.

Richter Hubert Heuer hatte offenbar auch Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorgangs: Er rief die Ausländerbehörde Cloppenburg um 14 Uhr erneut an und bekam die Antwort, daß „sich die Maschine längst flugbereit auf der Rollbahn befinde und die Abschiebung jedenfalls nicht mehr aufzuhalten sei“.

Die Chakers gehören zur islamischen Stammessekte der Jeziden. Die Jeziden werden der Volksgruppe der Kurden zugerechnet. Sie leben in dem Länderdreieck Türkei, Irak und Syrien und werden seit Jahrhunderten als Teufelsanbeter diskriminiert und verfolgt. Laut Amnesty International haben die syrischen Geheimdienste allein im Oktober 1992 über 200 syrische Kurden festgenommen und teilweise gefoltert. Trotzdem gilt die Bleiberechtslösung von 1991 nur für türkische und irakische Jeziden. Syrische Jeziden, wie die Familie Chaker, werden abgeschoben — und gefoltert.

Am 20. Januar entscheidet das Verwaltungsgericht Arnsbach über den Asylantrag von Mustafa Chaker. Er ist Sänger und aufgrund seiner politischen Lieder zwischen 1985 und 1989 schon mehrmals von syrischen Behörden gefoltert worden. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Richter bei ihm „Anhaltspunkte für eine drohende Verfolgung“ finden.

Marc Wiese