Es sieht nach Revolution aus, aber sie kommt nicht

■ „Traum, Gewalt, Legende“: Eine Ausstellung über den Rotfrontkämpferbund

Es sieht nach Revolution aus, aber sie kommt nicht. Berlin in den zwanziger Jahren: Barrikaden, Streiks, Schießereien. Rote gegen Braune gegen Schwarze gegen Rote und so weiter. Über die täglichen Straßenkämpfe ist in den Polizeiakten unter der Rubrik „Parteizugehörigkeit des Angreifers“ fast ausschließlich „KPD“ zu lesen – wer's glaubt, wird selig. Richtig ist, daß die aufgeheizte Stimmung den Kampftruppen der KPD wenigstens zeitweise recht war: 1927/28 vertreten die Genossen im KPD-nahen Rotfrontkämpferbund die Meinung, man könne durch eine Art Bürgerkrieg die ersehnte Revolution herbeischießen.

Vor diesem Hintergrund beginnen sich gegen Ende der 20er Jahre im Prenzlauer Berg drei Geschichten zu verwirren, die die Berliner Historikerinnen Annette Leo und Regina Scheer jetzt im Prenzlauer- Berg-Museum nachzeichnen. Lebensläufe von Parteiarbeitern in dünner werdender Luft: Bruno und Maria Stein, Hans Janocha und Lotte Rambauseck – „Traum, Gewalt, Legende“ titelt die Ausstellung. Fazit: viel Gewalt, wenig Traum.

Die Biographien lassen sich nur mit Mühe aus Fotos, Aktennotizen und Briefen herauslesen. Beispiel Stein: Das Ehepaar bricht noch vor der Machtergreifung Hitlers die offizielle Verbindung zur KPD ab; Bruno Stein wird in Moskau zum Funker ausgebildet, kehrt nach Berlin zurück; sein genauer Auftrag ist unbekannt. Während des deutschen Feldzugs gegen die Sowjetunion beherbergt die Familie einen alten Bekannten, der aus der Sowjetunion kommt und mit Steins Hilfe Nachrichten nach Moskau übermitteln will. Das Versteck fliegt auf, die Steins werden verhaftet, zum Tode verurteilt und 1944 hingerichtet. Aber das ist nur eine Hälfte der Geschichte: Seit 1937 wurde Stein von der Gestapo als V-Mann geführt. Doppelagent? Regina Scheer und Annette Leo haben nicht herausfinden können, ob er tatsächlich Informationen an die Nazis weitergab.

Widersprüche, die sich nicht lösen lassen: „Am Ende fällt jede Bewertung schwer“, sagen die Historikerinnen – „vielleicht muß es genügen, über diese Menschen mitzuteilen, was ihnen geschah, was sie taten und was sie meinten zu tun.“

„Jedenfalls bin ich stolz, mithelfen zu dürfen, und du mußt es auch sein.“ Der das im Dezember 1937 schreibt, ist auf dem Weg nach Spanien – Hans Janocha, Rotfrontkämpfer aus dem Prenzlauer Berg. Unterwegs in den Bürgerkrieg, verabschiedet er sich per Brief von seiner Mutter. Janocha kommt 1938 um. 1976 wird im Prenzlauer Berg kurzerhand eine Schule nach ihm benannt. Daß Janocha auch einen Sohn hatte, der nach dem Mauerbau nach Westberlin floh, erfahren die Schüler nicht. Ebenso, daß die Mutter jenes Sohnes Lotte Rambauseck hieß, Kommunistin war und zur Zeit des Nationalsozialismus als Kurierin für die Partei arbeitete. Lotte Rambauseck löste ihre Verbindung zur Partei und blieb nach Kriegsende im Westen, taugte also nicht zur Vorzeigeheldin.

Was Leo und Scheer rekonstruiert haben, könnte längst erzählt sein: In den Räumen des Prenzlauer-Berg-Museums war in den letzten Jahren der DDR eine Gedenkstätte für antifaschistischen Widerstandskampf untergebracht. Da allerdings dienten die Widerstandskämpfer nur als Abziehbilder, im Schatten Thälmanns und in ihrer Eigenschaft als Mitglieder der Kommunistischen Partei. Deren Widersprüche hatten bekanntlich lösbar zu sein. Friederike Freier

Bis 26.11. in der Dimitroffstraße 101, Di. 10-19, Mi.-Fr. 10-17, So. 13-17 Uhr zu sehen.