Unterm Strich

So höflich und pragmatisch wie die Zwangsehe zwischen dem sozialistischen Staatspräsidenten François Mitterrand und dem bürgerlich-rechten Premierminister Edouard Balladur gestaltet sich nach dem Regierungswechsel in Frankreich auch der Übergang in der Kulturpolitik: Jaques Toubon, Amtsnachfolger des rührigen Jack Lang, hatte Anfang April sein kulturpolitisches Erbe mit der Devise angetreten: „Auf dem Vollbrachten weiter aufbauen.“ Nun legte der neue Minister vor der Presse den langfristigen Kurs seiner Politik fest, und wenn Toubon auch erklärte, daß er „natürlich manches anders gemacht“ hätte, bleibt in der Hauptstadt Paris doch zunächst alles beim alten: Der umstrittene Opernchef und Mitterrand-Intimus Pierre Bergé wird bis zum Ende seines Mandats (Februar 1994) im Amt bleiben, denn seit im Rahmen der Sparmaßnahmen der Regierung der Kulturhaushalt um fünf Prozent gekürzt worden war, müssen nicht nur beim Opernbetrieb unnütze Ausgaben vermieden werden. Und so wird auch der unter Experten umstrittene Neubau für die Nationalbibliothek unverändert fortgesetzt. „Natürlich würde sie anders aussehen, wenn ich zu bestimmen gehabt hätte“, erklärte der Kulturkaiser ohne Reich in principio. Doch im bereits fortgeschrittenen Planungsstadium noch Korrekturen anzubringen, würde nur sinnlose Mehrkosten verusachen. Ungewiß ist nur noch, in welchem Maß die neue Bibliothek nicht nur Forschern, sondern auch dem allgemeinen Publikum zur Verfügung stehen wird. Und weil die Erweiterung des Louvre zum größten Museum der Welt aus Kostengründen ebenfalls nicht mehr gestoppt werden kann, steht der Eröffnung des „Grand Louvre“ zum Jahresende auch nichts mehr im Wege. Nur die angekündigte stärkere Dezentralisierung des nationalen Kulturbetriebs wird wohl mangels Geld weiter auf sich warten lassen.

Auch das Berliner Kultursäckel ist leer. Um so erfreulicher, daß sich der Verein der Freunde der Berliner Nationalgalerie dazu aufschwingen konnte, die Stadtansicht „Schloßfreiheit von der Schloßbrücke“ für das Berliner Museum zu erwerben. Zum Rekordpreis von umgerechnet 2,3 Millionen Mark ging das Werk des Berliner Architekturmalers Eduard Gärtner (1801-1877) über die Ladentheke bei Christie's in London. Damit ist der Marktwerk des Künstlers deutlich gestiegen: Der bisherige Höchstpreis für ein Werk Gärtners lag 1988 bei schlappen 299.400 Mark.

Auch die aus Breslau stammende und in München lebende Autorin Dagmar Nick ist in dieser armen Zeit um ein kleines Sümmchen reicher geworden: in Düsseldorf wurde sie mit dem Andreas-Gryphius-Literaturpreis (15.000 Mark) ausgezeichnet und als eine der bedeutendsten deutschsprachigen Lyrikerinnen der Nachkriegszeit geehrt. Dabei hat Frau Nick auch Prosastücke, belletristische Reisebücher und Hörspiele verfaßt.