Hogefeld hat nicht geschossen

■ Bundesanwaltschaft gibt falsche Darstellung und Panne bei der Festnahme der mutmaßlichen RAF-Terroristen zu

Berlin (taz/AFP/dpa) – Die Bundesanwaltschaft hat in einem zentralen Punkt die bisherige Darstellung der Polizeiaktion gegen die beiden mutmaßlichen RAF- Terroristen Birgit Hogefeld (36) und Wolfgang Grams (40) in Bad Kleinen am Schweriner See korrigiert und implizit zugegeben, daß es bei der Festnahmeaktion eine Panne gegeben habe: der Schußwechsel am Sonntag wurde nicht von der festgenommenen Birgit Hogefeld eröffnet. Nach Angaben der Behörde wurde die mit einer Pistole bewaffnete Hogefeld überwältigt, ohne schießen zu können. Lediglich Wolfgang Grams habe bei seiner Verfolgung auf einen GSG-9-Beamten geschossen.

Laut Bundesanwaltschaft verließen die beiden seit Jahren gesuchten mutmaßlichen RAF-Mitglieder das „Billard Café“ am Sonntag gegen 15.15 Uhr und sollten von einem Kommando des Mobilen Einsatzkommandos in einer Unterführung des Bahnhofes auf dem Weg zu den Bahnsteigen verhaftet werden. Während Hogefeld dort überwältigt und ohne zu schießen entwaffnet werden konnte, sei es Grams gelungen, über einen Treppenaufgang in Richtung Bahnsteig zu flüchten. Er habe dann den ihn verfolgenden GSG-9-Beamten aus nächster Nähe erschossen. Grams erlitt bei dem Schußwechsel ebenfalls tödliche Verletzungen. Nach Einschätzung der Bundesanwaltschaft waren Hogefeld und Grams aktive Mitglieder der Kommandoebene der RAF – das ergebe sich unter anderem aus ihrer Bewaffnung und Ausstattung mit gefälschten Ausweispapieren.

Offen ist weiterhin die Frage, welcher Hinweis zur Feststellung des Aufenthalts der mutmaßlichen RAF-Mitglieder in der Gaststätte geführt habe. Eine Stellungnahme zu dem „dritten Mann“, den Zeugen zuvor mit Hogefeld und Grams gesehen hatten, lehnte die Bundesanwaltschaft ab.

Ihre erste, falsche Darstellung begründete die Bundesanwaltschaft damit, daß sich „aus Aktualitätsgründen“ Fehler eingeschlichen hätten und der Bericht sehr frühzeitig und auf der Basis „erster übermittelter Ermittlungserkenntnisse“ geschrieben worden sei.

Die bei der Fahndung nach Mitgliedern der Roten Armee Fraktion (RAF) am Montag in Nordrhein-Westfalen Festgenommenen sind wieder auf freiem Fuß. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft haben die Überprüfungen ergeben, daß „kein RAF-Zusammenhang“ bestehe. Die Anklagebehörde teilte weder die Orte der Festnahmen noch die Zahl der Betroffenen mit.

Der Innenausschuß des Bundestages wird sich heute auf Antrag der SPD-Fraktion mit dem Schußwechsel zwischen mutmaßlichen Mitgliedern der RAF und der GSG-9 beschäftigen. Dabei sollen unter anderem Generalbundesanwalt Alexander von Stahl, Verfassungsschutzpräsident Eckart Werthebach, sowie voraussichtlich der BKA-Präsident Hans-Ludwig Zachert gehört werden. Die SPD fordert Antworten auf die Fragen: Woher kam der Hinweis auf Hogefeld und Grams? Seit wann wußten die Behörden von deren Aufenthaltsort? Gab es Observationsmaßnahmen? Aus welchen Gründen erfolgte der Zugriff in aller Öffentlichkeit?