Ohne Öffentlichkeit

■ Mit einer Kundgebung beginnt am Montag der Prozeß um die Ermordung Silvio Meiers / Anklage wegen Totschlags

Am kommenden Montag beginnt vor dem Berliner Landgericht der Prozeß um die Ermordung des Friedrichshainer Hausbesetzers Silvio Meier. Der ehemalige DDR-Oppositionelle war am 20. November vergangenen Jahres zusammen mit drei BegleiterInnen von einer Gruppe Hooligans im U-Bahnhof Samariterstraße angegriffen worden. Dabei wurde der 27jährige durch einen Messerstich in den Rücken getötet, zwei seiner FreundInnen wurden zum Teil schwer verletzt. Der Tat vorausgegangen war ein Streit um einen nationalistischen Aufnäher an der Jackes eines der Hooligans.

Die Staatsanwaltschaft, die im Juni dieses Jahres gegen drei Jugendliche Anklage erhoben hat, wirft nun einem 16jährigen Auszubildenden Totschlag, einem 17jährigen Schüler versuchten Totschlag sowie einem 16jährigen Auszubildenden Beteiligung an einem Angriff mit Todesfolge vor. Alle drei Angeklagten kommen aus Friedrichshain. Die beiden Hauptangeklagten befinden sich seit ihrer Festnahme am 23. bzw. 24. November 1992 in Untersuchungshaft. Die Verhandlung findet wegen des Alters der Angeklagten unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Aus demselben Grund ist auch eine Nebenklage nicht zulässig.

Der Tod Silvio Meiers hatte seinerzeit nicht nur Betroffenheit unter der Bevölkerung ausgelöst, sondern auch schwere Vorwürfe an die Berliner Polizei, die den Vorfall zunächst als „Bandenkrieg“ ohne politischen Hintergrund herunterzuspielen versucht hatte. Vorwürfe gab es auch, als der erste Tatverdächtige sich den Beamten stellte: Seine Version des Tathergangs, wonach die Gruppe um Silvio Meier mit einer Schreckschußpistole auf die Hooligans geschossen und ihn selbst mit einem Messerstich verletzt haben soll, wurde von der Polizei auf einer Pressekonferenz als „weitgehend glaubwürdig“ präsentiert. Peinlich für die Beamten: Der Verhaftete widerrief wenig später seine Aussage. Die Messerstiche hatte er sich selbst beigebracht.

Unterdessen haben die Angehörigen und KollegInnen von Silvio Meier zu einer Kundgebung vor dem Moabiter Gericht in der Turmstraße aufgerufen. Beginn ist 11 Uhr. Wie es in einem Flugblatt heißt, soll nicht nur gegen den damaligen Versuch der Polizei, „die Opfer zu Tätern zu stempeln“, sondern auch gegen die Behandlung eines „rechtsradikal motivierten Mords als ,normales Tötungsdelikt‘“ protestiert werden. Begründet wurde die Kundgebung unter anderem damit, daß es nicht „möglich sein wird, im Rahmen einer Nebenklage Einfluß auf den Prozeßverlauf zu nehmen“.

Daß die beiden BegleiterInnen von Silvio Meier, die damals verletzt wurden, das Recht hätten, an der gesamten Verhandlung teilzunehmen, erklärte gestern Justizpressesprecher Bruno Rautenberg. Ihr Anwalt sei dagegen nur dann zugelassen, wenn sie selbst als Zeugen vernommen würden. Der Prozeß ist auf sechs Verhandlungstage angesetzt. Uwe Rada