Psychiatriepoker überrollt Frauenstation

■ Klinik Dr. Heines löst Therapiestation für sexuell mißbrauchte Frauen auf / „Mehr Akutpsychiatrie“

Die Frauenstation in der Klinik Dr. Heines gibt es nicht mehr. Wie erst jetzt bekannt wurde, hat die Oberneulander Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie ihre Station für Frauen mit sexuellen Mißbrauchserfahrungen bereits Ende März aufgelöst. „Wirtschaftliche Gesichtspunkte“, nennt Verwaltungsdirektorin Maria Mensen auf Nachfrage als Begründung. 1996 seien durch die kostenintensive Frauenstation „Hunterttausende minus“entstanden. „Eine genaue Zahl möchte ich nicht nennen.“

Heines verzichtet damit klaglos auf ein renommiertes Aushängeschild. Die Frauenstation, konzipiert als Therapiestation von Frauen für Frauen, war '92 neben Bielefeld und Bad Wildungen als bundesweit dritte ihrer Art gegründet worden. Nachdem sie '95 dann dem Projektstatus entwachsen war, sollte sie wieder eingeschläfert werden. Einige Patientinnen gingen daraufhin an die Öffentlichkeit – schließlich erklärte sich der Träger (das Christliche Sozialwerk GmbH) bereit, 500.000 Mark zu investieren. Das Personal der Station, bekannt als „B 4“, wurde bedarfsgerecht aufgestockt. Und die Krankenkassen gewährten für die Spezialbehandlung einen um 35 Mark höheren Pflegesatz als in der Allgemeinpsychiatrie.

All das reichte laut Klinikleitung nicht für den Fortbestand der „B 4“. „Die 26 Plätze waren immer nur zu 60 Prozent belegt“, so Maria Mensen. Sie als Verwaltungsdirektorin habe außerdem festgestellt, daß das Klima auf der Station „sehr konfliktgeladen“war. Schwestern und Ärztinnen wechselten häufig. Allerdings hatte man '95 klinikintern umgeschichtet. „Womöglich fühlten sich da manche dann auf der B 4 überfordert“, mutmaßt Mensen.

Zwar ist nun der Klinik das Know-How für die Behandlung sexuell mißbrauchter Frauen nicht verloren gegangen, doch die Spezialtherapie von Frauen für Frauen existiert nur noch als Farce. „Wir garantieren den Frauen, daß sie von Frauen untersucht werden, wenn sie das möchten“, sagt dazu Dagmar Erwes, die ehemalige Leiterin der B 4. „Eine Frau als Therapeutin wird auf Wunsch auch zu arrangieren versucht.“Doch haben die Frauen keinen geschützten Rahmen während ihres Klinikaufenthalts mehr. Eine frühere Patientin beschrieb ihre Gefühle einst mit den Worten: „Es ist, als ob Sie als Kind von einem Autofahrer absichtlich überfahren wurden. Dann müssen sie die Angst vor Autofahrern abbauen. Sie würden in kein Auto mehr einsteigen, Sie würden in keine Klinik gehen, die an einer Autostraße liegt. So ähnlich ist das bei uns mit Männern.“Nun sitzen die Frauen wieder in der gemischten Gruppentherapie.

Als Ersatz für die Frauenstation konzentriere man sich bei Heines jetzt wieder mehr auf die Akutpsychiatrie, so Verwaltungsdirektorin Mensen. (Klinikchef Dr. Karl-Dieter Heines war auf die Schnelle nicht für eine Stellungnahme erreichbar.) Daß die Heines-Klinik damit ihre Chancen auf die von Gesundheitsressort und Krankenkassen diskutierte Übernahme von Drogenstationen der Klinik Sebaldsbrück vergrößert, möchte Maria Mensen so nicht bestätigen. Man sei jedoch dazu bereit, wiederholt sie die Haltung von Heines.

Die Entscheidung steht noch aus. Laut Landeskrankenhausplan werden künftig nur noch 75 von 234 Betten bei Heines gefördert. Der Druck auf die Klinik ist offensichtlich. Da die Frauenstation in aller Stille aufgelöst wurde, waren auch die Krankenkassen bislang nicht informiert. Norbert Kaufhold, Vertragsreferent der AOK: „Da werden wir den Pflegesatz wieder senken müssen.“ sip