Drei minderjährige Kurden abgeschoben

■ Flüchtlingsrat kritisiert die Abschiebung unbegleiteter Jugendlicher in die Türkei. Ein Jugendlicher wurde frühmorgens aus dem Bett geholt und mit Handschellen abgeführt. Von einem der Jungen fehlt se

Am Montag und Dienstag dieser Woche sind drei 16jährige kurdische Jugendliche in die Türkei abgeschoben worden. Dies wurde erst gestern durch den Flüchtlingsrat bekannt. Es handelt sich um die ersten bekanntgewordenen Abschiebungen von minderjährigen Kurden, die hier ohne Eltern leben.

Nach Angaben des Flüchtlingsrates wurde der 16jährige H. am Montag früh um 6 Uhr im Wohnheim in der Meininger Straße in Schöneberg aus dem Schlaf gerissen und ohne jegliches Gepäck in den Polizeigewahrsam gebracht. Am Dienstag wurde er nach Istanbul abgeschoben. Der ebenfalls 16jährige A. wurde mit Handschellen von sechs Polizisten in einem Reinickendorfer Wohnheim festgenommen. Er wurde am späten Montagabend abgeschoben. Von dem Jungen, der lediglich 50 Mark Bargeld mitnehmen konnte, fehlt seit seiner Abschiebung jedes Lebenszeichen. Zwei weitere Abschiebungen minderjähriger Kurden scheiterten, weil die Jungen abtauchten. Der Sprecher der Senatsverwaltung für Inneres, Thomas Raabe, konnte die Abschiebungen gestern nicht bestätigen.

Alle Jungen stammen aus der Urfa-Region, die zwar nicht zum kurdischen Kerngebiet, aber noch zur Krisenregion gehört. Ihre Asylanträge waren abgelehnt worden. Rechtsanwalt Martin Rubbert, der einen der Jugendlichen vertritt, erklärte gestern: „Dagegen hat der Treptower Amtsvormund bei meinem Mandanten nicht geklagt.“ Darauf verzichten die Vormünder in vielen Fällen, weil in ihren Augen aussichtslose Klagen nicht im Kindeswohl lägen. Nach Auffassung des Flüchtlingsrates wären die Klagen bei minderjährigen Kurden aber keinesfalls aussichtslos.

Der 16jährige H. soll nach Recherchen einer Betreuerin des Flüchtlingsrates in Istanbul verhört, anschließend aber ohne einen Pfennig Geld auf freien Fuß gesetzt worden sein. Die Betreuerin hatte in letzter Minute versucht, die Abschiebung zu verhindern. Doch sie war machtlos – nur der Treptower Vormund des Jungen hätte aktiv werden können. Doch er lehnte es nach Angaben der Betreuerin ab, etwas zu unternehmen, „weil der Junge schon 16 ist und er Kontakt zu seinen Eltern hat“.

Bei den anderen Jugendlichen ist nicht bekannt, ob sie Kontakt zu ihren Eltern haben. Das Bundesverfassungsgericht hatte im April ein Urteil gefällt, wonach minderjährige Kurden in die Türkei nur dann abgeschoben werden dürfen, wenn zuvor sorgsam geprüft wurde, ob sie von Verwandten betreut werden können. Im vergangenen Jahr sind 58 Minderjährige abgeschoben worden. Marina Mai