In der Bretagne eskaliert der Blumenkohlkrieg

■ Frankreichs Gemüsebauern sind wütend, weil die Preise für den Blumenkohl im Keller sind

Paris (taz) – In der Bretagne rollen die Blumenkohlköpfe. Nachdem bereits am Osterwochenende Bauernkommandos mehrere Tonnen ihres Gemüses in Protestfeuern verbrannt und nebenbei auch Eisenbahnschienen und -elektronik auf ihrer Halbinsel zertrümmert hatten, drohten die Bauern gestern weitere militante Aktionen an. Der Grund für die Wut: Mit ihrem weißgrünen Massenprodukt erzielen sie in diesem Jahr bloß einen Preis von einem Franc fünfzig, was entschieden unter der Rentabilitätsgrenze von weit über zwei Francs liegt.

In Paris fielen die Reaktionen auf die Proteste je nach Parteizugehörigkeit aus. Die staatlichen Eisenbahngesellschaft SNCF erstatte Anzeige wegen Sachbeschädigung in Höhe von über fünf Millionen Franc (rund 1,5 Millionen Mark) gegen einen Funktionär des örtlichen Bauernverbandes FDSEA. Die Politiker der Linken kritisierten die Methoden: „So nicht“, sagte der sozialistische Landwirtschaftsminister Louis Pensec, der selbst aus der Bretagne stammt. Einen höheren Scheck, wie die Bauern erwartet hatten, wollte er gestern nicht ausstellen. Statt dessen kündigte er einen „runden Tisch über den Blumenkohl“ an. Verständnis für die Bauern zeigten konservative Politiker. Noch auf Jahre hinaus müsse es angesichts der europäischen Konkurrenz Sonderregelungen für französische Gemüsebauern geben, erklärten sie. Tatsächlich ist deren Lage unerfreulich. Nachdem sie sich in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend auf die Monokulturen von Blumenkohl im Frühling und Rosenkohl im Winter – neuerdings stellenweise erweitert um Broccoli und Fenchel – spezialisiert und in diesen Bereichen eine extrem hohe Produktivität erreicht haben, stehen sie nun einem völlig gesättigten Markt gegenüber.

Während die Bretonen ihre landwirtschaftlichen Monokulturen intensivierten, nahm gleichzeitig die Produktion derselben Produkte in Spanien zu, wo die Löhne niedriger sind, und stieg auch der Import ebendieser Produkte aus echten Billiglohnländern wie Marokko – die bilateralen Abkommen der EU mit ihren Anrainerländern machen's möglich. In diesem Jahr kam für die bretonischen Gemüsebauern verschärfend hinzu, daß das Klima besonders mild war und sie ihre Kohlköpfe zum selben Zeitpunkt auf den Markt rollten wie die Konkurrenz.

Der Effekt war eindeutig: Die Preise stürzten in den Keller. Die bretonischen Gemüsebauern, die bereits im Vorjahr erhebliche Einnahmerückgänge verzeichnet hatten, haben in den ersten drei Monaten dieses Jahres nochmals 30 Millionen Franc (rund neun Millionen Mark) weniger eingenommen, rechnet die FDSEA vor. „Ein mittlerer Gemüsebauer verdient heute 15.000 Franc (15.000 Mark) weniger im Jahr als vor zehn Jahren“, beklagt Thierry Merret, Generalsekretär der FDSEA im Finisterre. Gleichzeitig allerdings sind die staatlichen und europäischen Subventionen an die Gemüsebauern vom Finisterre in die Höhe gegangen. Allein in diesem Jahr erhalten ihre Organisationen 77 Millionen Franc aus Brüssel sowie weitere 50 Millionen aus Paris, hielt Landwirtschaftsminister Le Pensec den Bauern entgegen.

Nach den Erdbeeren, den Atlantikfischen und dem Wein, deren Marktpreise in den vergangenen Jahren regelmäßig zu Bauern- und Fischerprotesten geführt hatten, ist damit auch der Blumenkohl in Frankreich zum Politikum geworden. „Natürlich wäre ich lieber auf meinem Acker“, sagte am Montag ein Bauer in einer Demonstration in der bretonischen Kleinstadt Morlaix, „aber wenn Le Pensec kein Einsehen hat, müssen wir weitermachen.“ Dorothea Hahn