Krise am Schauspielhaus „Vielleicht eine Befreiuung“

■ Geschäftsführer Peter F. Raddatz kündigt überraschend Vertrag

Gerade erst (am 1.8.2000) hatte er seinen Vertrag um weitere fünf Jahre verlängert – doch zum Ende dieser Spielzeit solljetzt endgültig Schluss sein: Kurzfristig und überraschend hat der kaufmännische Geschäftsführer des Schauspielhauses, Peter F. Raddatz, die Kultursenatorin um Auflösung seines Arbeitsverhältnisses gebeten; offiziell genannt wurden zunächst „persönliche Gründe“.

Doch was im Umkreis des Schauspielhauses schon länger vermutet wurde – interner Dissenz über die Amtsführung des neuen Intendanten Tom Stromberg – scheint auch für Raddatz den Ausschlag gegeben zu haben: „Ich habe den Job immer gern gemacht und mich mit Krisen und Erfolgen des Hauses identifiziert“, sagte Raddatz, der seit 1989 Geschäftsführer ist, gestern im Gespräch mit der taz.

„Und ich weiß auch, dass erste Spielzeiten immer mühsam sind, dass man neuen Intendanten – wie auch derzeit am Thalia Khuon und weiland am Schauspielhaus Baumbauer – Zeit geben muss.“ Dafür müsse man aber auch wissen, „wofür man kämpft und wofür das Programm steht“. Müsse Vertrauen haben, dass die Krise – das Schauspielhaus schreibt seit der Intendanz Tom Strombergs mäßig erfreuliche Zuschauerzahlen, die Stücke Struwwwelpeter und Die Möwe ausgenommen – vorübergehe und dass sich der Einsatz lohne. „Das Motto „Hauptsache neu“, das seit dieser Spielzeit herrsche, findet Raddatz nicht ausreichend, „anders machen“ sei noch kein Qualitätskriterium.

Konkret möchte Raddatz zwar nicht zu Spekulationen Stellung nehmen, die unterstellen, dass die neue Intendanz die unter Baumbauer eingespielten 4,5 Millionen Überschuss allzu sorglos ausgebe. Aber auch wenn man – wie für diese erste Spielzeit anvisiert und vom Aufsichtsrat genehmigt – schon ein Defizit von 2,9 Millionen einplane, unterscheide sich die erste Stromberg-Spielzeit doch deutlich von vorhergehenden Neuintendanzen: „Man bekommt den Eindruck, dass kein Programm, sondern eine gewisse Beliebigkeit hinter den Produktionen steht“, die es schwierig mache zu erkennen, wofür die neue Intendanz eigentlich stehe. „Ich war nicht mehr mit dem Herzen dabei“, sagt Raddatz, „und dann ist es vielleicht besser zu gehen.“

Die Entscheidung sei ihm nicht leicht gefallen, erklärt er melancholisch: „Wenn man den Job elf Jahre lang gemacht hat, hat man schon Herzblut investiert, aber vielleicht ist das auch eine Befreiung für das Schauspielhaus, wenn ich jetzt gehe.“

Wie seine berufliche Zukunft aussehen soll, weiß Raddatz noch nicht. Die Kulturbehörde hat indessen schon Gespräche mit einem Nachfolgekandidaten aufgenommen, dessen Name – sollten die Gespräche positiv verlaufen – aber erst nach der Aufsichtsratssitzung am 9. Februar verraten werden soll.

Petra Schellen