zwischen den rillen
: Schöner hören: Epischer Trübsinn mit Goldfrapp

Fototapete in Technicolor

Behäbig dahinplätschernde Instrumentalmusik wird gerne als Tapetenmusik verunglimpft, wahlweise auch als akustisches Möbel „zum Wohlfühlen“. Da schmiert wabernder Wohlklang über rhythmische Muster, weich und fuzzy, ein Schaumbad für die Seele mit seditativen Additiven. Fürchterlich. Oder toll.

Einfach jedenfalls ist es nicht, banal und ohne Ehrgeiz zu sein – und gleichzeitig in den Bann zu ziehen. Sparsam müssen die Reize sein, ohne sich bei genauem Zuhören sofort in belangloses Wohlgefallen aufzulösen. Es ist also ein schwieriger, obszön breiter Spagat, den die britische Chanteuse Alison Goldfrapp mit ihrem Debüt „Felt Mountain“ versucht.

Nach seiner Veröffentlichung im vergangenen September in Großbritannien zündete das Album anschließend zunächst in Frankreich. Nun werden wir wohl auch hierzulande hellhörig werden. Besser noch dunkelhörig, denn die neun akribisch arrangierten Stücke sind von winterlicher Tristesse und warmer Melancholie, mit sehnsüchtigen Keyboards, wehen Streichern und genussvoll gequälter Elektronik. Hin und wieder verstärkt jenes Pfeifen die gedrückte Stimmung, das seit Ennio Morricone zur cineastischen Chiffre für epischen Trübsinn geworden ist – klangvolles Seufzen mit geschürzten Lippen. Aber selbst die aufdringlichsten Western-Zitate werden von Alison Goldfrapps berückender Stimme gekontert, in den Schatten gestellt.

Schon als Schülerin hat sie dieses Handwerk auf „Maxinquaye“ von Tricky gelernt, der die Sängerin bald an Orbital weiter empfahl. Wer aber bereits als Kunststudentin mit ausgefeilter Performance und Chansons von sich reden machte, gibt sich mit der Rolle der Backgroundsängerin nur ungern zufrieden.

Also verbarrikadierte sich Alison Goldfrapp, so will’s das Märchen, mit dem Filmmusikanten und Multiinstrumentalisten Will Gregory für ein halbes Jahr in einer Hütte in Südengland, um dort ungestört und konzentriert an „Felt Mountain“ – und dessen grafischer Präsentation – zu arbeiten: das Matterhorn in strahlendem Postkartenkitsch, ein tief verschneites Wäldchen, und Alison Goldfrapp selbst, mit nackten Knien, in Gummistiefeln und Wachscotton-Jacke auf einem Stapel Brennholz. Ein staunendes kleines Mädchen in einer alpinen Traumwelt.

Doch die unwirkliche Cover-Ästhetik spiegelt nur eine unwirkliche Musik, die beredt von der heiligen Dreifaltigkeit des Pop erzählt, der großen Liebe („When you laugh I’m inside your mouth“), dem großen Schmerz („I’m not standing, don’t look back“), der Einsamkeit („There’s nobody who smells like you“).

Ohne jede Ironie intoniert von Alison Goldfrapp, mal beschwingt wie Sarah Cracknell von Saint Etienne, mal mit der Inbrunst von Portisheads Beth Gibbons, mal artifiziell verzerrt wie Björk Gudmundsdottir – jede dieser Rollen meistert Goldfrapp, ohne sich allerdings auf deren dramatische Fallhöhe einzulassen.

Dafür sorgt Will Gregory mit seinem imaginären Soundtrack, der das Drama mit bewährten Mitteln behauptet, anstatt es wirklich zu inszenieren. Schläfrig schreiten die schlichten Melodien dahin, zugänglich bis zur Zuckrigkeit. Seine stärksten Momente hat das Album folglich in der Stille, wenn die flüsternde Stimme nur von weichem Schnurren oder dem Ticken eines Metronoms begleitet wird.

Elegischen Alben wie diesen wird gerne nachgesagt, sie ließen „einen Film im Kopf“ entstehen. Was aber, wenn man diesen Film schon zu oft gesehen hat? Eine Tapete mit Motiven statt Mustern, eine Fototapete im Kopf. ARNO FRANK

Goldfrapp: „Felt Mountain“ (Mute); das Album erscheint am 5. Februar