Englischer Schlammassel

■ Von den Härten des Landlebens: Die Cottage Days, Fachmesse für das Leben im englischen Landhaus-Stil, versinken im Schlamm der Pauliner Marsch

„Lassen Sie sich inspirieren“ lautet das Motto der Cottage Days – zu einem Leben im gediegenen englischen Country-Style. Von hinten naht stilecht ein ohrenbetäubender Bulldozer (!), aber der Inspira-tion tut das keinen Abbruch. Schließlich schiebt er keine Rinderkadaver vor sich her – das wäre dann doch zu englisch – sondern nur eine Fuhre Matsch. Den versucht er so zu verteilen, dass die Besucher auf dem ganzen Weg nur noch bis zu den Knöcheln einsinken.

Leider sorgen direkt danach zwei Trecker dafür, dass alles wieder so aussieht wie vorher: Tiefe Furchen, die zu überqueren zumindest mit einer damenhaften Haltung nicht in Einklang zu bringen ist. Aber die Landmaschinen sind nicht nur da, um das Farm-Ambiente zu komplettieren: Sie pendeln zwischen Bassum und dem Jürgens-hof und bringen Fuhre um Fuhre Mulch auf das aufgeweichte Gelände, damit zumindest am nächsten Tag alle Stände zu Fuß erreichbar sind. Gut möglich, dass das ein frommer Wunsch bleibt, meint die Fachfrau für Gartenbücher: „Der Marschboden hier saugt das doch nicht so schnell auf“, sagt sie freundlich grinsend, „da muss es nur noch einmal regnen und schon sieht's aus wie vorher.“ Und sie kennt sich nach jahrzehntelangem Gärtnern aus. Für Neu-Gärtner hat sie einen echten Geheimtipp auf Lager: Das Buch „Lazy“ für alle, die es mit wenig Aufwand zu vielen Blüten bringen wollen.

Zwar ist „Gardening“ laut Messe-Katalog das neue Trend-Hobby stressgeplagter Großstädter – man „muss sich einfach Zeit dafür nehmen“ –, aber zum Country-Lifestyle braucht es natürlich mehr. Ob der bayerische Trachtenjanker und die Jägersocken mit Horn-Herzchen von „Landhausmoden Sylvia Maleitzke“ aus Bad Zwischenahn unbedingt dazugehören, ist bestreitbar. Unverzichtbar ist dagegen ein schicker Strohhut, gleich an zwei Ständen zu erstehen. Für die Dame wichtig ist die Perlenkette, das Accesoire zum Edel-Trutschenchic der Landpomeranze von Welt. Das Pendant für den Herrn ist das maßgeschneiderte Hemd, aber der Herr der feinen Tuche schaut heute jedem, der sich nähert, indigniert auf die verschlammten Schuhe.

Bei der Einrichtung darf der zierliche Lloyd Loom-Armlehnstuhl nicht fehlen. Viele halten ihn für ein Korbmöbel, dabei ist er in Wahrheit aus Papyrus gewunden. Das Möbelstück gehört auf jede Veranda und ist auch in einer Outdoor-Variante im Angebot. Leider kostet der seit über 100 Jahren hergestellte Klassiker 990 Mark. „Aber Sie können ruhig schreiben, dass der Mann, der so teure Stühle verkauft, selbst die Schaufel in die Hand nimmt“, ruft der Hamburger Händler entnervt. Er versucht gerade, Kunden mit einer Ladung Kies den Weg zu seinem Stand zu bahnen. Seinem Nachbarn ist schon alles egal: „Heute morgen standen wir bis zu den Knien im Schlamm“, sagt er achselzuckend. Für ihn ist klar, dass Veranstalter KP für den ersten Tag nicht einen einzigen Pfennig Standgebühr sieht. Wovon auch? Kaum ein Kunde hat den Weg durch die feuchte Schlammwüste zu seinem Stand gefunden.

Ähnlich ergeht es der Silberwaren-Händlerin: Fünf Mark Umsatz hat sie nach einem halben Tag gemacht. Mit silbernem Tischschmuck ist allerdings auch Vorsicht angezeigt: Verschnörkelte Kerzenleuchter zum Beispiel wirken leicht wie Möchtegern-Landhausstil. Sogar ein absolutes „don't“ sind cremefarbene Kerzen mit Glitzerüberzug und falschem Efeu drumherum: Damit sieht auch ein veritables Gutshaus nach Etagenwohnung im zweiten Förderungsweg aus. Im Garten gilt es, Gipsputten, die „antike“ Schöne ohne Arme oder gar Michelangelos „David“ ebenso zu vermeiden wie eine Imitation des olympischen Feuers aus rostigem Eisen. Wer sich so etwas in den Garten stellt, outet sich als Kleinbürger. Schwer im Trend sind dagegen derzeit Granit-Objekte. Der Gartenarchitekt Günter Henke hat daraus einen ganzen Garten aufgebaut, in dem allenthalben leise Wasser plätschert – genauso unaufhörlich wie des Meisters Ausführungen über die Feng-Shui-Qualitäten seines Werkes, das man für 100.000 Mark mitnehmen kann. Überhaupt: Wer seinem Garten einen Anstrich von englischem Park geben will, braucht unbedingt ein Häuschen darin – sei es ein schmiedeeisernes Tempelchen zum Beranken, das Grillhaus mit integrierter Sauna oder die Whirlpool-Hütte für 25.000 bis 50.000 Mark. Falls der Garten doch nicht so riesig ist, sind die Scheiben zum Glück verdunkelt  . . .

Aber auch wer keinen eigenen Garten hat, kann einen Hauch englischer Noblesse verströmen: Mit dem „Ambiente“-Picknickkorb für vier Personen (535 Mark). Die besten Umsätze dürfte allerdings der Händler machen, der den „MudBuster“ verkauft: Die supermoderne Fußmatte, deren Plastikfasern die Schuhe von allen Seiten putzen, kann nach den Cottage Days jeder gebrauchen. jank

Bis Montag täglich 11 bis 18 Uhr, Dienstag 11-18 Uhr auf dem Jürgenshof (Osterdeich hinterm Weserstadion). Eintritt: 22 Mark, Kinder ab 10 Jahre 10 Mark, Jüngere kostenlos.