Reden gegen rechts – unter Anleitung

Guben wurde bekannt, weil Rechte Omar Ben Noui zu Tode hetzten. Jetzt denken die Bürger unter Anleitung öffentlich über Rechtsradikalismus nach

GUBEN taz ■ Die Frage ist berechtigt. „Ist Guben wirklich braun?“, fragt Lea Rosh an diesem Donnerstagabend die 200 Bürger, die im Volkshaus sitzen. Freilich haben die meisten der Angesprochenen die 30 weit hinter sich gelassen. Aber zumindest drei waschechte Jungmänner mit Topfschnitt und Bomberjacke sitzen im Saal und etwa zwei Dutzend andere Jugendliche.

Es ist eine klirrende Frage, die Lea Rosh da an Gottfried Hain, den Bürgermeister von Guben, hat. Warum haben sich die Stadtverordneten nur mit einer Stimme Mehrheit dafür entschieden, den Gedenkstein für Omar Ben Noui in der Nähe des Plattenbaus Hugo-Jentsch-Straße 14 zu belassen? Weil viele es nicht länger ertragen, dass die Grenzstadt zu Polen als braune Hochburg stigmatisiert werde, antwortet Hain.

In der Stadt gibt es viele, die sehen in dem Stein einen „Katalysator, einen Beschleuniger für die rechte Szene“, sagt Hain. Das Denkmal im Freien erweise den Rechten einen „Götzendienst“. Der Findling liegt in unmittelbarer Nähe des Hauses, in dem der Algerier nach einer Hetzjagd 1999 verblutete. Wieder und wieder wird der Stein beschmiert, zerkratzt und angepinkelt. Deswegen wollte ein Teil der Stadtverordneten ihn wegschaffen und statt seiner eine Tafel im Rathaus aufhängen. Nach langer Diskussion setzten sich die Aktivisten für das Mahnmal durch. Wäre der Stein verschwunden, hätten die Rechten dies als „Sieg“ gefeiert. Nun bleibt der Stein, wo er ist. Hain ist das recht. Der leidenschaftlich ausgetragene Streit im Rathaus verwandelt sich in Engagement. Nun bewachen Freiwillige den Stein.

Der Zank der vergangenen Wochen hat manchen Kopf geklärt. Jetzt will man reden über rechte Platzhirsche und deren Hegemonie, über Verantwortung und Zivilcourage – gerne auch öffentlich und unter Anleitung einer TV-Moderatorin.

Es gibt viel zu erklären. Als Richter der 3. Großen Strafkammer am Landgericht Cottbus verteidigt Joachim Dönitz die Urteile gegen Omar Ben Nouis Verfolger. Die Kammer habe die Rädelsführer wegen fahrlässiger Tötung zwischen zwei und drei Jahren bestraft, weil sie ihre Jagd 200 Meter vor der Glashaustür abbrachen, durch die Ben Noui in Todesangst sprang. Die Kammer habe keinen Tötungsvorsatz erkennen können. Diese Erklärung und eine rasche Einführung in das Strafrecht leuchten dem Publikum ein.

Die Unfähigkeit sich auseinanderzusetzen, scheint für diesen Abend überwunden. Mütter gestehen, dass sie nicht in der Lage sind zu erkennen, ob ihre Kinder nach rechts driften. Schüler klagen über mangelhafte Geschichtsstunden. Lehrerinnen berichten von 12- und 13-Jährigen, die von ihren Mitschülern über den Schulhof geprügelt werden, weil sie im Unterricht eine andere Meinung vertreten.

Und die drei Rechten bitten um ein eigenes Jugendhaus und erfreuen sich auch schon der Symphatie von Polizeichef Lüth, als jemand aufsteht und einen von ihnen als Schänder des jüdischen Friedhofs outet. Das kostet. Der Polizeichef distanziert sich und Lea Rosh verweigert das Mikro. Sie weiß, wie man Zeichen setzt. ANNETTE ROGALLA

Thema: Frieden schaffen nur mit Waffen? Lehren aus dem Balkankrieg. Sa., 28. 4., 12 Uhr