Steueroase mit See und Alpenblick

Zug rühmt sich der niedrigsten Steuern in der Schweiz. In der kleinen Stadt drängen sich Offshore-Firmen, Treuhänder und andere Dienstleister, die beim Steuerhinterziehen helfen. Rein statistisch ist Zug der viertgrößte Erdölhandelsplatz der Welt

aus Zug ANITA MERKT

Es ist der reichste Kanton der Schweiz und er fängt mit Z an. Wer meint, es handle sich um Zürich, liegt falsch. Spätestens seit auch Boris Becker seinen Umzug in die Innerschweiz angekündigt hat, weiß der deutsche Zeitungsleser: der einkommensstärkste Schweizer Kanton heißt Zug.

Zu verdanken hat der kleine Agrar- und Tourismuskanton seinen Reichtum den tiefsten Steuersätzen in der Schweiz. Die Gewinnsteuer liegt zwischen vier und sieben Prozent. Wer davon profitieren will, muss nicht gleich selbst in die Innerschweiz ziehen. Denn im Gefolge der Steuerflüchtigen hat sich im südwestlich von Zürich gelegenen Kanton eine ganze Heerschar von Dienstleistern angesiedelt. Die Anwälte und Treuhandgesellschaften helfen bei der Gründung von Domizil-, Verwaltungs- und Holdinggesellschaften, mit denen Gewinne transferiert und dort versteuert werden können, wo’s billig ist. Und gerade diese Gesellschaftsformen werden von den kantonalen Steuerbehörden besonders privilegiert behandelt.

Zur Gründung der Gesellschaften bedarf es eines Verwaltungsrats und einer Geschäftsführung. Kein Problem: Wer keine guten Bekannten in der Schweiz hat, kann sich zum Beispiel an die BB Treuhand AG wenden. Sie kümmert sich gerne um die „Gründung und Verwaltung von Offshore-Gesellschaften“ und stellt die „notwendigen Organe und Mitarbeiter“. Auch „Ihr Treuhandpartner im Kanton Zug“, die B.U. Schwendener Treuhand AG, erledigt bei der Einrichtung der Briefkastenfirma nicht nur sämtliche Formalitäten, sondern stellt auch gleich die Firmengründer, besetzt die Vorstandsposten und stellt dem Kunden gerne die eigene Adresse zum Aufhängen des Briefkastens zur Verfügung. Mehr braucht es nicht. Denn die Domizilgesellschaft ist ausdrücklich definiert als „Gesellschaft, die weder einen Produktions- noch einen Handelsbetrieb unterhält“ und die kein Personal beschäftigt. Die Holdinggesellschaft „verwaltet lediglich Beteiligungen an anderen Unternehmungen“, erläutert die Schwendener Treuhand.

Rund 3.000 Briefkastenfirmen soll es allein in Zug geben. Wahrscheinlich sind es noch mehr. Denn in dem Städtchen mit gerade mal 23.000 Einwohnern haben 11.900 Unternehmen ihren Sitz. Die Mehrzahl der registrierten Firmen beschäftigt sich mit Finanzdienstleistungen und Rohstoffhandel. So ist der malerische Ort mit Zugersee und Alpenblick der viertgrößte Erdölhandelsplatz der Welt.

Die zahllosen Treuhänder. Neben den Firmengründungen kümmern sie sich auch um die Zuzügler, die den Kanton Zug tatsächlich zu ihrer neuen Heimat machen. Franz Marty, langjähriger Finanzdirektor im Nachbarkanton Schwyz, drückt es so aus: „Tiefe Steuern ziehen neue Einwohner an, gefolgt von Immobilienhändlern und dem Baugewerbe. Dann kommen Treuhänder, Anwälte und Unternehmensberater.“ Doch selbst die beklagen sich mittlerweile über die hohen Lebenshaltungskosten, die die superreichen Zuzügler verursachen. Unter den Wahlzugern sind nicht wenige aus dem nördlichen Nachbarland. Während in der ganzen Schweiz die Italiener die größte Ausländergruppe stellen, sind es im Kanton Zug die Deutschen. Mit ihren exportierten Euro-Vermögen tragen sie dazu bei, dass die Mieten ins Unermessliche steigen und der Immobilienmarkt mittlerweile leergefegt ist. Auch die übrigen Lebenshaltungskosten liegen erheblich über dem Schweizer Durchschnitt. „Für Normalverdiener wird es spitz“, meint selbst ein alteingesessener Treuhänder.