Der Weiße Hai des Waldes

Zecken gehörten nie zu den beliebtesten Tieren unserer Fauna. Jetzt wollen sie uns auch noch das Fürchten lehren

Alle Jahre wieder wird uns die Zecke als schlimmster Killer unserer an schlimmen Killern ansonsten recht armen Fauna vorgeführt. Dabei verfügt das Milbentierchen, das zur Familie der Spinnen gehört, über ganz erstaunliche Tugenden (allen voran seine engelsgleiche Geduld beim Warten auf ein Opfer).

War bisher vor allem in Bayern und Österreich mit Hirnhautentzündung oder Borreliose zu rechnen, so scheinen die Holzböcke mit dem immer milderen Klima immer weiter nach Norden zu wandern. In ihrem Arsenal an Biowaffen scheinen neuerdings auch die Erreger so exotischer Krankheiten wie der Leishmaniose oder dem Q-Fieber mit sich zu führen. So wie der Weiße Hai vielen Menschen den Spaß am Schwimmen auf offener See genommen hat, so raubt auch die Zecke vor allem Großstädtern allen Mut zur Wanderung in heimischen Auen.

Gerüchte, die Parasiten würden sich aus Baumkronen auf ihre Wirte stürzen, entbehren allerdings jeder Grundlage. Tatsächlich ist ixodes ricinus, wie sich der Holzbock beim wissenschaftlichen Namen rufen lässt, ein hochsensibler Sensor. Potenzielle Wirte kündigen sich der auf Knöchelhöhe im Busch lauernden Zecke schon durch die Erschütterungen des Bodens an. Trotzdem braucht die Zecke echten Körperkontakt, will sich aus ihrem Hinterhalt abstreifen lassen. Erst dann erkundigt sie sich über ihr Haller’sches Organ nach der Tauglichkeit des Opfers: die Sensoren im vorderen Beinpaar reagieren auf thermische und chemische Reize und lösen den Beißreflex der Tierchen aus.

Bei Menschen ist es die im Schweiß enthaltene Milchsäure, der die Zecken nicht widerstehen können – obschon Menschen der Zecke nur ungern die zehn Tage gewähren, die sie fürs blutige Vollsaugen auf Traubengröße braucht. Wäre „Zecke“ nicht schon für schnorrende Punks reserviert, dann hätte Franz Müntefering für seine Managerschelte nicht die exotische „Heuschrecke“ verwenden müssen. FRA