Tränen für den Papst

Nur mit schwerer Pasta im Bauch und viel Rotwein im Blut sollte man sich diesem Film nähern: „Johannes XXIII.“

Man muss sich das ungefähr so vorstellen: Millionen strömen zur Beerdigung des Papstes Johannes Paul II. im April nach Rom, wochenlang ist das Sterben des alten und die Wahl des neuen Pontifex maximus die alles entscheidende News. Dann strahlt der Berlusconi-Sender Canal 5 Mitte April eine Fernsehfilmserie über das Leben des Verstorbenen aus und landet damit den Quotenhit des Jahres. Schließlich wird mit Kardinal Joseph Ratzinger ein Deutscher, also „wir!“, zum Papst gewählt.

Da dämmert es der Victory-Media-Gruppe, dass man mit den alten Popen irgendwie Geld verdienen kann. Und so wird denn „Johannes XXIII. Für eine Welt in Frieden“ auf den deutschen Markt geworfen. Vor allem in Bistumsstädten soll das Werk kurz vor dem drohenden Weltjugendtag gezeigt werden. Es ist die etwas aufgepeppte Kinoversion einer italienischen Fernsehserie von Ricky Tognazzi von 2002. Hauptdarsteller ist Bob Hoskins, keine schlechte Wahl, denn Hoskins ist so klein und rund wie Johannes XXIII. es war und ein ganz guter Schauspieler dazu.

Doch schon in den ersten Sekunden ahnt man Schlimmes: grießelige Bilder, weil der ursprüngliche Fernsehfilm technisch hochgejazzt werden musste. Holterdiepolter geht es durch die Lebensgeschichte von Angelo Giuseppe Roncalli, dem späteren Papst Johannes XXIII.: ein paar Bilder vom frommen kleinen Angelo, der mit seinem Opa in einem Dorf in den Voralpen dauernd in die Messe rennt; ein tränenreicher Abschied von seinem Vater, einem armen Bauern. Schließlich der junge Priesteramtskandidat, der auf dem Seminar in Rom zwei Kollegen und Freunde hat, die für so etwas wie die Rahmenhandlung des Films sorgen: Mattia und Nicola. Immer wieder kreuzen sich die Wege dieser drei Männer, Mattia hintergeht, ja verrät beide mehrmals – um dies am Ende mit verdrucksten Tränen zu bereuen.

Überhaupt die Tränen! Alles weint ausgiebig in diesem Film: der Knastbruder, der in den Armen von Johannes XXIII. sein böses Leben bereut; das sterbenskranke Mädchen, für das der Papst am Bettchen betet, schließlich ein enger Papst-Mitarbeiter, der ihm mitteilt, dass Seine Heiligkeit bald an Krebs sterben werde. Man mag sich eine Großfamilie in Süditalien vorstellen, die, vereint in Tränen, nach der Abendpasta gebannt auf diese Szenen in der Flimmerkiste starrt – ansonsten aber wäre zu hoffen gewesen, dass der Film den Kinosälen erspart bliebe.

Denn was hier zu erdulden ist, hat Johannes XXIII., ein tatsächlich großer, sympathischer, mit der Gabe der Selbstironie gesegneter Mann, ein „guter Papst“, so sein Spitzname im Volk, nicht verdient. Er war es, der gegen erbitterte Widerstände der Kurie das Zweite Vatikanische Konzil (1962–65) durchsetzte und damit die römisch-katholische Kirche in die Moderne katapultierte – eine Bewegung, die der jetzige Papst am liebsten rückgängig machen würde. Doch das Historische dieser Tat vermag der Film kaum zu vermitteln. Schade.

PHILIPP GESSLER

„Johannes der XXIII. Für eine Welt in Frieden.“ Italien 2003, Regie: Ricky Tognazzi, 103 Min.