I N T E R V I E W Kein rechtsfreier Raum für Verfassungsschutz

■ Der Berliner SPD–Fraktions– und designierte Landesvorsitzende Walter Momper zur Diskussion über ein parlamentarisches Organ zur Kontrolle der Geheimdienste / SPD hält Ausschluß der AL für nicht gerechtfertigt

taz: Bevor am Samstag die Berliner Innenbehörde mit einem Plan zur Einrichtung einer parlamentarischen Kontrollkommission über die Geheimdienste an die Öffentlichkeit trat, hatten Sie, wie auch die FDP, entsprechende Forderungen erhoben. Was hat Sie dazu veranlaßt? Momper: Das Verhalten der Berliner Exekutive im Falle Schmücker hat deutlich gemacht, daß Innensenator Kewenig für den Verfassungsschutz einen rechtsfreien Raum in Anspruch nimmt und weder die Kontrolle durch die Justiz noch die des Parlaments akzeptiert. Er hat es trotz mehrfacher Vorstöße der SPD abgelehnt, die erforderlichen Auskünfte zu geben. Wir haben uns gesagt, wenn die Regierungsparteien nur bereit sind, Auskünfte in einem Ausschuß nach Art der Parlamentarischen Kontrollkommission des Bundestages zu geben, dann sollen sie sie haben. Es kann nämlich nicht sein, daß der Verfassungsschutz vollkommen unkontrolliert ist. Das bezieht sich auch auf den Fall Schmücker. Daran ist einiges oberfaul, und es schadet der Verfassung sehr, wenn hier rechtsfreie Räume in Anspruch genommen werden. Wer das befürwortet, rechtsfreie Räume für die Geheimdienste, der macht sich selbst zum Verfassungsfeind. Wäre ein solches Gremium befugt, die Vorgänge nach 12 Jahren zu beleuchten? Schon allein deshalb, weil das Verhalten im Falle Schmücker ganz aktuell ist. Die Gründe, warum bestimmte Akten dem Gericht zum Beispiel nicht offenbart werden, gehören auf jeden Fall zur gegenwärtigen Tätigkeit des Verfassungsschutzes und unterliegen damit auch der gegenwärtigen Kontrolle. Wir leben nicht in einer Bananenrepublik, wo der Geheimdienst machen kann, was er will. Der Innensenator hat sein Schweigen bisher mit den Schutzbelangen des Staates begründet. Im Fall Schmücker waren sein heutiger Staatssekretär und der stellvertretende Leiter des Verfassungsschutzamtes involviert. Sind es vor allem deren Belange, die da geschützt werden? Ich will mich nicht an Spekulationen beteiligen, obwohl es natürlich sehr nahe liegt. Kewenig hat bisher nicht nachgewiesen, wo die schutzwürdigen Belange tatsächlich liegen, die seine Aufklärungspflicht gegenüber dem Parlament oder den Gerichten nachrangig erscheinen lassen. Das macht in höchstem Maße mißtrauisch. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Herausgabe bestimmter Akten verlangt, es ist kaum davon auszugehen, daß es leichtfertig mit dem Wohl des Staates umgeht. Nun ist es mit dessen Wohl wohl nicht zu vereinbaren, daß auch die AL Sitz und Stimme in diesem Gremium erhält? Natürlich will die CDU die Alternativen rauskippen. Das halte ich für falsch, auch wenn sich die CDU auf ein Urteil des Bundesverfassungsgericht berufen kann, das den Ausschluß von Grünen / Alternativen als verfassungskonform eingestuft hat. Das Urteil muß ich respektieren, auch wenn ich es verfassungspolitisch für vollkommen falsch halte. Wer vom Volke gewählt ist, hat ein Anrecht darauf, an der Kontrolle in allen Bereichen teilzuhaben. Erst wenn Geheimhaltungsvorschriften verletzt werden, kann man zu strafrechtlichen Sanktionen greifen. Nicht mal in Zeiten von Dieter Kunzelmann (Ex– AL– Abgeordneter) war nachweisbar, daß die AL sich nicht an die üblichen Regeln gehalten hat. Wir werden am Dienstag einen Antrag verabschieden, der vorsieht, daß jede Gruppe, die im Parlament Fraktionsstärke erreicht hat, einen Sitz im Kontrollgremium erhält. Wie ich aber die derzeitige Koalition kenne, wird sie mit Brachialgewalt ihr Interesse durchsetzen. Interview: bmm