Politik in erster Person

■ Freiherr Heereman von Zuydtwyck war als Präsident des Bauernverbandes vor allem sein eigener Lobbyist

Bonn (taz) - Der Bauernboß mag nicht mehr. Bleibt die Gefolgschaft weiter so aufmüpfig, will Constantin Freiherr Heereman von Zuydtwyck, seit 17 Jahren Präsident des Deutschen Bauernverbandes, abdanken. „Ich schmeiße hin“, verriet er einem Reporter der Bild–Zeitung. „Ich mache dieses Kesseltreiben einzelner Radikalinskis gegen mich nicht mehr mit. Sollen diese Leute doch sehen, wie sie ohne mich fertig werden“, beschied der Freiherr nach Gutsherrenart. „Diese Leute“ haben dem selbstgefälligen Großgrundbesitzer und Bauernfunktionär kräftig eingeheizt: Auf dem niedersächsischen Bauerntag Ende Februar in Hannover gingen Puppen mit seinen Gesichtszügen in Flammen auf. Sein Generalsekretär Schnieders mußte vor einem Eier–, Tomaten– und Kartoffel– Hagel vom Rednerpult flüchten. Heereman witterte Verrat. „Von Grünen gesteuerte Chaoten–Gruppen“. Doch es ist die nackte Existenzangst, die die Kleinbauern zur Rebellion gegen das Verbands– Establishment treibt. Diese Not ist das Ergebnis der verfehlten EG–Agrarpolitik, die Bauernpräsident Heereman jahrelang mitgetragen hat. An der Spitze des gut organisierten Bauernverbandes hat er reichlich Subventionen für seine Klientel in Brüssel abgesahnt - für die Großbauern mehr, für die Kleinen weniger, bedeutend weniger. Doch nun steht der europäische Agrarmarkt vor dem Kollaps und die Kleinbauern vor dem Ruin. Heereman wird sie kaum aus der EG–Sackgasse führen. Als Besitzer eines 120–Hektar–Hofes im Tecklenburger Land profitiert er kräftig vom bisherigen EG–System. Wenn es um Ideen für eine Neuorientierung des Agrarmarkts geht, ist vom Freiherrn nicht viel zu hören. Dafür ist er auch zu beschäftigt. Heereman ist ja nicht nur Ober–Bauer der Bundesrepublik, sondern kungelt seit 1983 auch als CDU–Abgeordneter in Bonn herum. Nebenher besorgt er noch ein Dutzend anderer Jobs - in Aufsichts– und Verwaltungsräten, vom Chemie–Riesen Bayer über die Klöckner–Humboldt–Deutz AG bis hin zur Landwirtschaftlichen Rentenbank. Es war aber wohl weniger Arbeitsüberlastung, und schon garnicht der „Psychoterror“ der „Radikalinskis“, die den Bauern–Lobbyisten öffentlich mit Rücktrittsgedanken spielen ließ. Wahrscheinlich wollte Heereman einen Warnschuß abgeben, um seine Gefolgschaft wieder zur Räson zu bringen. Doch der Warnschuß ging nach hinten los. Seine Rücktrittsdrohung wurde in den eigenen Landesverbänden eher kühl kommentiert. Aus Baden–Württemberg hieß es, es werde „sehr schwer sein, einen Präsidenten mit soviel internationaler Erfahrung und Renommee wie Heereman zu finden.“ Entsprechend wendig hat Heereman seine Strategie bereits wieder umgestellt. Gegenüber der ZEIT glänzte er durch Gedächtnisschwund: „Es hat bei mir nie einen Anflug von Amtsmüdigkeit gegeben.“ Stefan von Borstel