Heftiges Flügelschlagen vor Grünen–Parteitag

■ Lukas Beckmann erneuert seine Kritik an der Grünen Partei / Realpolitische Bundestagsfraktion will auf dem Parteitag in Duisburg realpolitischen Bundesvorstand durchsetzen / Kandidatenkarussell könnte auch Mehrheit des fundamentalistischen Flügels ermöglichen

Aus Bonn Mattias Geis

Erläuterungen zum Grünen–Parteitag, der am kommenden Wochenende in Duisburg stattfindet, gaben die Vorstandssprecher Jutta Ditfurth und Lukas Beckmann gestern vor der Bundespressekonferenz in Bonn. Nachdem in den letzten Tagen die Auseinandersetzung zwischen Beckmann und dem dritten Grünen–Sprecher Trampert vorwiegend über Presseerklärungen und Interviews geführt worden war, wurde gestern mit Bedauern zur Kenntnis genommen, daß Trampert aus „verkehrstechnischen Gründen“ an der gemeinsam angekündigten Pressekonferenz nicht teilnehmen konnte. Doch der Streit zwischen Fundis und Realos bestimmte auch so die Pressekonferenz. Im Mittelpunkt der Delegier tenkonferenz (BDK) in Duisburg werden die Wahlen zum Bundesvorstand stehen. In dem elfköpfigen Gremium verfügen bislang Ökosozialisten und Fundamentalisten über eine Ein–Stimmen– Mehrheit. Im Fraktionsvorstand würde dagegen ein realpolitisch gesinnter Parteivorstand begrüßt werden: Waltraud Schoppe etwa hält es schlicht für „eine Katastrophe“, daß die - von ihr vermutete - realpolitische Mehrheit nicht im Führungsgremium der Partei repräsentiert ist. Lukas Beckmann, der in den letzten Tagen mit seiner Forderung nach einer Öffnung der Grünen hin zur CDU für Aufsehen gesorgt hatte, verzichtet auf die Möglichkeit einer Wiederwahl. Als Grund für seinen Verzicht ließ er verlauten, seine „vermittelnde Position“ sei im Bundesvorstand nicht mehr gefragt. Die Arbeitsbedingungen im grünen Führungsgremium seien aufgrund der Polarisierung zwischen Fundamentalisten und Realpolitikern „schwierig“. Er sorge sich um die Dialogfähigkeit der Grünen, wolle jedoch den zu erwartenden Auseinandersetzungen zwischen den „Fundamentalisten beider Flügel“ nicht länger beiwohnen. Außerdem kündigte Beckmann gestern an, er werde in seinem Rechenschaftsbericht auf der BDK auch auf die Angriffe von Rainer Trampert eingehen. Dieser hatte ihm vorgeworfen, seine Kritik und der Rückzug aus dem Bundesvorstand seien weniger inhaltlich begründet als vielmehr Teil von Beckmanns Karriereplanung. Dabei spielte er auf Gerüchte an, denen zufolge Beckmann einen Posten in der erst noch zu gründenden Grünen–nahen Heinrich–Böll– Stiftung anstrebt. Tramperts Formulierungen - er sprach von „triefend durchsichtiger Karriereplanung“ und bezeichnete Beckmann als „Möllemann der Partei“ - lassen ahnen, wie sich die Fronten in den Grünen–Führungszirkeln - verhärtet haben. Beckmann sagte, er lehne es auch am Ende seiner Vorstandszeit ab, mit „Diffamierungen unterhalb der Gürtellinie“ an die Öffentlichkeit zu gehen. Zur Wahl stehen in Duisburg die drei Vorstandssprecher sowie zwei Beisitzer. Gemäß der grünen Satzung scheidet Rainer Trampert nach vier Jahren Vorstandstätigkeit aus. Er „rotiert“ als Mitarbeiter ins Fraktionssprecherbüro Ebermann. Jutta Dithfurt wird sich zur Wiederwahl stellen. Beckmann, der eine „gehörige personelle Erneuerung“ der Partei für notwendig hält, bezeichnete die bislang vorliegenden BUVO–Kandidatenliste als „nicht ausgewogen“. Für die freiwerdenden Sprecherposten liegen bislang, neben Jutta Ditfurths Wiederkandidatur, die Bewerbung des Ex–Abgeordneten Christian Schmidt sowie der bisherigen Beisitzer im Vorstand, Regina Michalik und Norbert Kostede, vor. Wird in Duisburg ein Antrag der BAG Frauen angenommen, diesmal mindestens zwei der drei Sprecherstellen mit Frauen zu besetzen, hätte die radikale Feministin Michalik neben Ditfurth gute Chancen. Da sie eher der ökosozialistischen Strömung zugerechnet wird und darüber hinaus dem Realpolitiker Kostede wenig Chancen auf ein Sprecheramt eingeräumt werden, blieben so die Mehrheitsverhältnisse wie zuvor. Mit dem profilierten Hamburger Ökosozialisten Christian Schmidt könnte am Ende der Duisburger Wahlen sogar ein rein „linkes“ Sprechergremium stehen. Angesichts solcher Möglichkeiten wird hinter den Kulissen und bislang ohne offizielle Bewerbungen an Alternativlösungen gebastelt. Die ökolibertäre Soziologin Gisela Erler erwägt eine Kandidatur „angesichts der Frauenknappheit im realpolitischen Lager“. Ihre endgültige Entscheidung sei jedoch „abhängig von einer Unterstützung durch die sogenannte Mitte um Antje Vollmer und Christa Nickels“. Einer Einzelkandidatur entschieden vorziehen würde Gisela Erler jedoch eine „Paketlösung fraktionell weniger gebundener, nach beiden Richtungen offener“ Kandidaten/ innen. Im Gespräch für ein „arbeitsfähiges“ Sprechertrio sind noch Ulrike Riedel, Mitarbeiterin im Hessischen Umweltministerium, und Udo Knapp, Mitarbeiter bei Waltraud Schoppe.