Friedensmärsche gegen 60.000 Polizisten

■ In Südkoreas Städten folgten Zehntausende dem Aufruf der Opposition / Kim Dae Jung wieder unter Hausarrest / Straßenschlachten vor Kathedrale

Seoul (afp/ap/dpa) - Zu einer neuen Kraftprobe zwischen dem bedrängten Regime Chun Doo Hwan und der immer stärker werdenden Oppositionsbewegung wurden gestern in Südkorea der Friedensmarsch der „Koalition für eine Demokratische Verfassung“. Die auch von der konservativen Oppositionspartei RDP unterstützten Großkundgebungen in Seoul und in 22 Provinzstädten hatten trotz des Verbots durch die Regierung überall massenhaften Zulauf. Die Opposition sprach am Freitag abend von rund einer Million Teilnehmern im ganzen Land. Zehntausende von Demonstranten standen allein in der hauptstadt Seoul etwa 25.000 Einsatzpolizisten gegenüber. Landesweit versuchte die Regierung mit 60.000 Polizisten, die Protestaktionen zu verhindern. Wie bereits in den vergangenen zwei Wochen kam es auch am Freitag wieder zu regelrechten Straßenschlachten mit massivem Reizgaseinsatz durch die Polizei. Viele Märsche wurden von christlichen Geistlichen angeführt, die sich in Appellen an die Polizei, meist vergeblich, bemühten, die Gewalttätigkeiten einzudämmen. Fortsetzung auf Seite 6 Siehe auch Seite 7 Bereits vor Beginn der Aktionen wurden der liberale Oppositionspolitiker Kim Dae Jung und 230 weitere Dissidenten erneut für einen Tag unter Hausarrest gestellt. Der Chef der RDP, Kim Young Sam, kam kurzfristig in Haft. Der Pagodapark in der Innenstadt Seouls, auf den die Demonstrationen sternförmig zulaufen sollten, war weiträumig abgesperrt, Busse und U–Bahnen fuhren bereits am Nachmittag nicht mehr. Zu den schlimmsten Straßenschlachten kam es im Seouler Hauptbahnhof, wo sich rund 3.000 Demonstranten verbarrikadierten und von 5.000 Polizisten traktiert wurden. Von den Einsatzpolizisten wurden Hunderte von Tränengasgranaten in das Gebäude geworfen, was von der Gegenseite mit Benzinbomben und Steinwürfen beantwortet wurde. Beobachter sprachen von zahlreichen Verletzten und Verhafteten, als die Polizei das Terrain schließlich zurückerobert hatte. Ähnliche Szenen spielten sich vor der katholischen Myongdongkathedrale im Zentrum Seouls und vor dem Büro der RDP ab. Aktionen der Studenten wurden aus den umliegenden Häusern jeweils mit lautem Beifall quittiert, Autofahrer veranstalteten aus Solidarität Hupkonzerte, Arbeiter verließen ihre Betriebe, um sich den Demonstrationen anzuschließen. „Nieder mit der Militärdiktatur“, „Demokratische Regierung jetzt“ und „Gewaltlosigkeit“ waren die gängigsten Parolen. Sprecher der Koalition warfen der Polizei vor, mit bisher nicht gekannter Brutalität vorgegangen zu sein und kündigten an, der Kampf für ein Ende des gegenwärtigen Regimes werde verstärkt. In der Hafenstadt Pusan nahmen Tausende von Gläubigern an einer Messe in der katholischen Kathedrale teil und formierten sich anschließend zu einem Marsch ins Stadtzentrum. In Kwangju war die Innenstadt bereits prophylaktisch abgesperrt worden. Südkoreas Diktator Chun Doo Hwan verkündete unterdessen kurz vor Beginn der Protestaktionen, er wolle die gespannte Situation mit Geduld und Dialog zu lösen versuchen. Agitation und Gewalt der Straße könnten dagegen nicht zu einer Demokratisierung beitragen.