Geschichtsmuseum verfassungswidrig

■ Nach einem Gutachten des Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes verletzt das „Deutsche Historische Museum“ in Berlin die Kulturhoheit der Länder / Realisierung des Kohl–Projekts in weiter Ferne

Von Klaus Hartung

Berlin (taz) - Seitdem Kohl in seiner Regierungserklärung Berlin das Geschenk eines „Deutschen Historischen Museums“ ankündigte, ist die politische Fragwürdigkeit dieses Unternehmens durch eine Kette von Expertenhearings, Tagungen, parlamentarischen Anfragen, Gegenkonzeptionen immer deutlicher geworden. Nunmehr ist auch fraglich, ob die Einrichtung des Museums verfassungskonform ist. Auf Ersuchen der Berliner Alternativen Liste (AL) hat jetzt der Wissenschaftliche Parlamentsdienst ein Gutachten vorgelegt. Die Fragen der AL waren: „Welche Widersprüche ergeben sich zwischen der Kulturhoheit der Länder und einem Deutschen Historischen Museum in Trägerschaft des Bundes in Berlin?“ Dem Gutachten zufolge hat die Bundesregierung, die nach der gegenwärtig bekannten Vorgehensweise das Museum „errichten und einrichten“ will, also die Trägerschaft besitzt, keinerlei verfassungsmäßige Kompetenz. Die Schenkung wäre ein schwerwiegender Bruch des Föderalismus, der Kulturhoheit der Länder. Nach §30GG müßte sich die Schenkung auf eine Ausnahmeregelung des Grundgesetzes beziehen. Die gibt es aber nicht. Die Verteidiger des Projekts verweisen auf die „Stiftung Preußischer Kulturbesitz“. Auch diese Möglichkeit weist das Gutachten zurück, da es sich um ehemaliges Vermögen handle, daraus also nicht eine Bundeskompetenz ableiten lasse. Also sei auch die Eingliederung des Museums in die Stiftung „ausgeschlossen.“ Voreilig verwies Senatsprecher Dr.Fest zur Abwehr des Gutachtens auf diese Möglichkeit. Den inhaltlichen Kern der Museumsidee trifft ein anderer Gesichtspunkt: Die Initiatoren des „Deutschen Historischen Mu seums“ beanspruchen eine Bundeszuständigkeit aus der „Natur der Sache“. Die bestände - laut Argumentation der Bundesregierung - in der „nationalen Repräsentanz nach innen“ oder Pflege der „kontinuitätsbewahrenden Tradition“. Solche politische Absicht beschwor der Bundeskanzler vollmundig am 14.März 1986: „Die Menschen wollen wissen, wer wir Deutsche sind und wo wir in der Kontinuität unserer Geschichte stehen.“ Unverhüllter konnte Nationalpädagogik als staatliche Aufgabe nicht ausgedrückt werden. Politisch hatten die Museumsvertreter immer damit Schwierigkeiten und betonten, wie der Berliner Senat, daß es sich nicht um ein „Regierungsmuseum“ handle. Schließlich seien unter den sechzehn sachverständigen Historikern auch SPD–Mitglieder und Linke. Aber nicht zuletzt im sogenannten „Fernsehurteil“ hatte das Bundesverfassungsgericht gegen Adenauers Versuch der Gründung einer Deutschland– Fernseh–GmBH klipp und klar entschieden: „Aus der Natur der Aufgabe nationale Repräsentation nach innen und Pflege kontinuitätsbewahrender Tradition folgt nicht, daß ihre Förderung durch Rundfunksendungen des Bundes zwingend geboten ist.“ Das Verfassungsgericht will also strikt „Einflußnahme“ des Bundes bei solchen Aufgaben verhindert wissen. Nach der ganzen Expertise des Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes wäre das Museum ein gravierender Einbruch in die verfassungsrechtliche Tradition der Bundesrepublik. Erste Anzeichen der Verwirrung zeigen sich schon. In Unkenntnis des Gutachtens verwies der Senatssprecher Fest schnell auf die finanzielle Beteiligung des Bundes am Schiffahrtsmuseum in Bremen, am Germanischen Museum in Nürnberg etc. Eine hilflose Argumentation insofern, als es sich bei dem Berliner Museumsprojekt, im Unterschied zu diesen Museen, um die Trägerschaft des Bundes handle. Auf drei Ebenen liegen Zweifel über dem Unternehmen: Der politische Inhalt ist ein ungeklärter Streitpunkt zwischen den Parteien, die Verfassungsmäßigkeit ist nicht gegeben, und die Lokalisierung dieses Projektes steht in den Sternen. Die Grundsteinlegung, für den 750. Jahrestag angekündigt, ist verschoben worden. Für die Grundsteinlegung braucht man schließlich ein Grundstück, fürs Grunstück einen Flächennutzungsplan. Aber der wird vom Abgeordnetenhaus keineswegs 1987 verabschiedet. Gleichwohl ist der Bundeshaushaltstitel schon angesetzt. Die Konsequenzen aus dem Gutachten sind interessant. Die verfassungsrechtliche Überprüfung verlangt eine Normenkontrollklage. Antragsberechtigt sind der Bundeskanzler, die Regierungen der Länder und ein Drittel aller Bundestagsabgeordneten. AL–Sprecher Dirk Schneider kündigte zwar gleich den Gang zum Verfassungsgericht an. Allein, die Grünen in Bonn haben erst mit der Klärung begonnen. Sie brauchen zumindest Unterstützung von SPD–Abgeordneten.