Realo: Partei stärker öffnen

■ Norbert Kostede schlägt vor, verstärkt parteilose Persönlichkeiten auch auf Wahllisten der Grünen aufzunehmen / 57,5 Prozent der Grünen–Wähler zählen sich einer Umfrage zufolge zu den „Realos“

Berlin (taz) - Die Grünen sollen sich nach Ansicht ihres ehemaligen Bundesvorstandsmitglieds Norbert Kostede weiter öffnen. Der Bielefelder Soziologe und Realpolitiker hat in einem Papier vorgeschlagen auf Kandidat–Innenlisten verstärkt Persönlichkeiten zu berücksichtigen, die nicht Mitglied der Grünen–Partei sind. Bei Kommunal–, Landtags–, und Bundestagswahlen soll zukünftig die Hälfte der Kandidaten aus „dem politischen Umfeld“ der Grünen kommen. Kostede will Vertreter von Umweltinitiativen, Frauengruppen Repräsentanten aus Kultur und Medien verstärkt auf den Listen sehen und damit die Partei wieder näher an die Ur sprünge zurückführen. Seiner Meinung nach sollten die Nicht– Parteimitglieder keiner Loyalitätsverpflichtung unterliegen, nichtsdesto trotz wird von ihnen ein Mindestmaß an Unterstützung des Wahlkampfprogramms erwartet. Kostede verspricht sich von seinem Vorschlag einen Ausweg aus dem derzeitigen „strategischen Patt“ und „neue Mobilität“. Zwar gebe es, so Kostede in seinem Papier, auch jetzt schon offene Listen, doch würden die dadurch geschaffenen Möglichkeiten nur halbherzig genutzt. Andere würden das Prinzip offener Listen dadurch manipulieren, daß sie je nach Strömung „ihren“ parteiunabhängigen Kandidaten su chen würden. Für den bevorstehenden Bundesparteitag zu einer Grünen–Stiftung schlägt Kostede entsprechend seinem neuen Quotierungsvorschlag vor, mehr parteiunabhängige Personen in die Entscheidung einzubeziehen. 57,5 Prozent Realos Einer im Auftrag der Zeitschrift Tempo 90 erstellten Umfrage des Psydata–Instituts Frankfurt zufolge, zählen sich 57,5 Prozent der Grünen–Wähler zu den Realos und lediglich 8,2 Prozent zu den Fundis. Am sympathischsten finden die Grünen Joschka Fischer. Ihm folgen Otto Schily und Jutta Dittfurth. Auf Platz 4 und 5 der Liste stehen zwei Sozialdemokraten: Willy Brandt und Helmut Schmidt. Den beiden folgen Thomas Ebermann und Antje Vollmer Oskar Lafontaine und Johannes Rau. Zwischen Umfrage und Realität klafft - eine beruhigend große Lücke. Denn geht es nach der Umfrage, bei der unter anderem herauskam, daß 25 Prozent der Grünen– Wähler den Spiegel lesen und 24 Prozent die taz, lediglich elf Prozent die FR und drei Prozent FAZ, dann sieht man auf den ersten Blick, daß da etwas nicht ganz stimmen kann. Schließlich müssten wir nach diesen Ergebnissen 750.000 Leser haben. Und davon sind wir noch sehr weit entfernt. Wirklich! mtm