„Waffenstillstand“ in Athen

■ Die griechische Regierung zieht ein Dekret über die Kontrolle des Vermögens der orthodoxen Kirche nach heftigen Auseinandersetzungen zurück / Beide Seiten sind vorerst zufrieden

Aus Athen Georg Schwarz

Im monatelangen Krieg zwischen der Athener Regierung und der unabhängigen orthodoxen Kirche ist überraschenderweise gestern abend ein „Waffenstillstand“ erzielt worden. Der Salven–Wechsel zwischen den Fronten hatte letzten Frühling begonnen, als das Parlament ein neues Gesetz zur Regelung des Kirchenvermögens erlassen hatte. Danach sollte ein Teil des kirchlichen Landbesitzes beschlagnahmt und an besitzlose Bauern sowie landwirtschaftliche Kooperativen verteilt werden. Den größten Tumult in der „Heiligen Synode“ der unabhängigen orthodoxen Kirche löste jedoch ein zusätzliches präsidentia les Dekret aus, das Funktionen sowie Kompetenzen einer neuen, hauptsächlich von der Kirchengemeinde gewählten siebenköpfigen Kommission zur Vewaltung des Immobilienvermögens der Kirche festlegte. Gerade dies ging den heiligen Vätern zu weit. Eine Kontrolle über ihr auf 25 Mrd. DM geschätztes Vermögen hatten sie nie geduldet. Sie erklärten den Sozialisten und Marxisten in der griechischen Regierung den „Heiligen Krieg“. Das Dekret sollte am Dienstag auch dem Staatsrat, dem obersten Verfassungsgericht des Landes, vorgelegt werden, ist aber überraschenderweise vom Minister für Erziehung und Religion, Antonis Tritsis, „anläßlich einiger Verbesserungen funktionaler Art“ vorläufig zurückgezogen worden. Die Kirchenväter haben dies mit Genugtuung als überaus „positiven Schritt“ bewertet und damit einem vorläufigen „Waffenstillstand“ zugestimmt - ohne natürlich die Waffen niederzulegen: Der Erzbischof Athens Serafim fordert in einem an Premier Andreas Papandreou gerichteten Brief eine Audienz und bei der Gelegenheit auch den Kopf des Marxisten und Autoren des zurückgezogenen Gesetzes. Die Regierung selbst zeigt sich vorerst zufrieden: Sie hat den Waffenstillstand erzielt, ohne alle Karten offengelegt zu haben. Die Art der geplanten „Verbesserungen“ sind nämlich nicht bekannt gemacht worden.