Dollarkus vor dem freien Fall

■ IWF–Prognosen bringen Stoltenberg in Verlegenheit / Breitseiten gegen US–Währungspolitik / Schelte wegen mickriger Wachtums–Impulse aus der BRD

Aus Washington Ulli Kulke

Für Bundesfinanzminister Stoltenberg ist der US–Dollarkurs eine Glaubensfrage: „Ich glaube einfach, daß die Wechselkurse etwa in den heutigen Bereichen bleiben. Man kann auch anderer Meinung sein.“ Stoltenberg hat es nicht leicht. In einem Spagat muß er versuchen, die Meinung des Internationalen Währungsfonds (IWF), der auf den Dollarkurs offenbar keinen Pfifferling mehr setzen will, und die gewohnt optimistische Haltung der Industrieländergruppe beim IWF „G–7“ auf einen Nenner zu bringen. Grundlagenpapier des IWF zur gemeinsamen Jahrestagung mit der Weltbank ist stets der „World Economic Outlook“, der die Weltwirtschaftsentwicklung ausleuchtet. Zum diesjährigen Spektakel in der US–Hauptstadt hat der IWF den 10.000er Troß aus Finanzministern, Notenbankpräsidenten, Bankern, Journalisten und der übrigen Wirtschaftswelt starken Stoff serviert. Zwar kritisieren die Ökonomen des Fonds unter den Industrieländern auch die Bundesrepublik, deren Wachstum in letzter Zeit enttäuschend geringe Impulse für den Weltmarkt bot - Japan bekommt da bessere Noten. Die eigentlichen, zwischen den Zeilen zu findenden Breitseiten gehen indes in Richtung auf das Land, dessen Präsident als Gastgeber heute die erste Rede in der Vollversammlung der Jahrestagung halten darf. In dem Papier wird völlig außergewöhnlich das politische Prozedere eines speziellen Landes unter die Lupe genommen, und die „Unsicherheit über das Timing und das Ausmaß künftiger fiskalischer Korrekturen“ in den USA beklagt, weil „Kompromisse zwi schen der US–Regierung und dem Kongreß hinsichtlich der Haushaltsdefizit–Begrenzung offensichtlich sehr schwer zu erzielen sind“. Die Chancen zur Minderung seien daher mittelfristig „klein“. Bemerkenswert ist dabei, daß die Schätzungen der US–Regierung, die auf ein Haushaltsdefizit von 80 Milliarden Dollar im Jahre 1990 hinauslaufen, vom IWF überhaupt nicht mehr ernst genommen werden: 179 Milliarden Dollar setzen hier die Statistiker der Welt–Finanzverrechnungsbehörde an. Dabei ist das nur die halbe Wahrheit. Der IWF erstellt zwar stets verschiedene Szenarien über gute und schlechte Aussichten. Einzelnen Ländern schreibt der Fonds indes Prognosen ins Stammbuch, die inzwischen gar nicht mehr veröffentlicht werden, um die jeweiligen Länder nicht bloßzustellen, wie von offizieller Seite inoffiziell zu vernehmen ist. Und das gilt in diesem Jahr insbesondere für die USA. Die USA mit ihrer im Vergleich zu Brasilien doppelt so hohen Auslandsverschuldung rücken näher an die Entwicklungsländer heran, deren Währungen im Zuge der Verschuldung unter die Räder geraten. Deshalb räumt der Fonds auf mit der Illusion, der Dollarkurs sei auf die Dauer über Stützungskäufe der Notenbanken, künstliche Nachfragesteigerung also, zu retten. Dies sei lediglich kurzfristig möglich, wenn es darum geht, die Geschwindigkeit der Ausschläge abzumildern. In Anspielung darauf, daß die Notenbanken seit Jahresbeginn versuchten, den unübersehbaren Trend aufzuhalten und sage und schreibe 70 Milliarden Dollar zur Stützung der US–Währung aufgekauft haben, heißt es im IWF–Outlook weiter: „In anderen Umständen können die Bemühungen, die Wechselkurse auf dem Markt zu beeinflussen ineffektiv oder sogar kontraproduktiv sein.“ Der Fonds trifft damit den Tenor der meisten Tagungsteilnehmer und -beobachter in Washington. Selbst Sparkassenpräsident Geigers Bemühungen zur Beschwichtigung klingen eher pessimistisch für den bundesdeutschen Export, der bei einem billigeren Dollar erheblich geringere Profite in Aussicht hätte: „Ein Teil des Drucks, der auf dem Dollar liegt, ist sicher durch seine Abwertungen in der letzten Zeit vorweggenommen“, erklärte er auf einam Empfang. Was solls, Gerhard Stoltenberg „glaubt“ an die Beibehaltung der jetzigen Kursverhältnisse. Balladur contra Stoltenberg Im Zweifel ist gerade anläßlich einer solchen Tagung die Darstellung vor dem eigenen Wählervolk das wichtigste. Frankreichs Wirtschaftsminister Balladur war nach dem Treffen der „G–7“ um den Eindruck bemüht, gegenüber den Partnerstaaten kein Blatt vor den Mund genommen zu haben. Das bundesdeutsche Wirtschaftswachstum, das in letzter Zeit wegen mangelnder Dynamik keinerlei positive Auswirkungen mehr auf die französische Exportwirtschaft ausübte, sei in der „G–7“ ein wichtiger Tagesordnungspunkt gewesen, ließ er gegenüber der französischen Nachrichtenagentur afp verlauten. Bundesfinanzminister Stoltenberg - gar nicht verlegen - teilte der heimischen Presse in einem Exclusiv–Meeting mit, das Thema zu geringes Wachstum in der Bundesrepublik sei in der „G–7“ nicht zur Sprache gekommen. Dpa übernahm pflichtgemäß, das habe hier „keine Rolle gespielt“.