Papandreous Kirchenkampagne endet im Versöhnungsrausch

■ Der Vorstoß der Regierung zur Enteignung des Kirchenbesitzes endete mit einem flauen Kompromiß und der trauten Gemeinsamkeit von orthodoxer Kirche, Armee und Staat

Aus Athen Georg Schwarz

Ein merkwürdig buntes Publikum erwartete auf dem Athener Syntagma–Platz am Mittwoch die Ankunft eines „hohen Gastes“. In erster Reihe die Vertreter der Orthodoxie: die Kirchenfürsten standen in feierlichen Messgewändern vor der Statue des Unbekannten Soldaten aufgereiht, daneben zahlreiche Popen in langen schwarzen Roben, klar abgetrennt von ihnen die vermummten Nonnen. Die Streitkräfte waren durch stramme Offiziere und drei Kapellen vertreten. Auch die Staatsgewalt war da: die Sozialisten hatten den stellvertretenden Premier geschickt, Athen seinen konservativen Bürgermeister. Der hohe Gast werde mit allen Ehren empfangen, wie das jedem Staatsoberhaupt gebührt, hieß es schließlich in der offiziellen Erklärung. Als „Er“, von Soldaten der Ehrenwache auf einem langen Marsch von Piräus nach Athen getragen, endlich am Syntagma eintraf, erklang die Nationalhymne, die Kirchenväter sangen fromm „Kyrie eleison“, vom höchsten Hügel Athens wurden 21 Kanonenschüsse abgefeuert. Schließlich ist „Er“ das Staatsoberhaupt der Mönchsrepublik Athos - „Er“ ist eine Ikone der Madonna, genannt „Axion Esti“, die anläßlich des Besuches des ökumenischen Patriarchen Dimitrios am 13. November nach Athen gebracht wurde. Am Syntagma schwor die Politiker des Landes, „daß sich Nation und Orthodoxie, Klerus und Volk, beflügelt vom Geist des Axion Esti verbinden werden“ - so der Bürgermeister. Und der stellvertretende Premier erläuterte den Wert der Ikone, die „für uns Griechen ein Kleinod unserer Religion und unserer nationalen Tradition ist“: am Syntagma wurde viel über Religion, Orthodoxie und Nation gesprochen. Man fühlte sich wie zu Zeiten des byzantinischen Reiches. Den Sozialisten nämlich schien kein Preis zu hoch, um der griechischen Bevölkerung nach dem monatelangen Konflikt zwischen Staat und Kirche die „Einigung“ zu demonstrieren. Der „unnachgiebige Kampf“ der Popen gegen die „Marxisten“ hatte im letzten Frühjahr begonnen, als die Sozia listen ein Gesetz zur „Regelung des Kirchenbesitzes“ erlassen hatten. Danach sollte ein Teil des kirchlichen Landbesitzes enteignet und an Bauern–Kooperativen verteilt werden; das Immobiliengeschäft des Klerus wollte man der staatlichen Kontrolle unterstellen. Das bewegte die Popen dazu, die Reform als „Unterjochung der Orthodoxie“ zu brandmarken, wütend auf den Straßen zu demonstrieren und den Sozialisten „den Heiligen Krieg“ zu erklären. Die nun gefeierte Einigung wurde völlig überraschend am vergangenen Dienstag erzielt. Nach einem kurzen Treffen zwischen den Oberhäuptern beider Fronten, dem Premier Andreas Papandreou und Erzbischof Serafim, erklärten sie breit lächelnd der Presse, der Konflikt sei beigelegt. Denn Klerus und Regierung haben aufgrund eines Einigungsentwurfs aus Kirchenkreisen wieder zu ihrer traditionellen Allianz zurückgefunden. Diese Einigung sieht nach Presse–Informationen folgendes vor: 1. Die Kirchenväter sind bereit, dem Staat 150.000 Hektar Land abzutreten; 2. der Staat soll die im Gesetz vorgesehene Kontrolle des städtischen Kirchenbesitzes nun vergessen. Denn in den Städten haben die heiligen Väter der Kirche ihre eigentliche wirtschaftliche Grundlage: Ihr Immobilienbesitz umfaßt Kinos, Diskotheken, illegale Spielsalons sowie Hotels. „Falls die Regierung nicht bereit war, ihre Reform durchzusetzen, warum hat sie dann den Konflikt ausgelöst?“, fragte sich die linke Zeitung „Elefterotypia“. Diese Antwort bleibt die Regierung schuldig, sie sollen sich vorerst mit den Feierlichkeiten zwischen Orthodoxie und Staatsgewalt begnügen.