Überzeugungstäter

■ Warum Klaus von Dohnanyi über seinen Schatten sprang

„Was hat diesen Mann nur dazu bewogen, sein politisches Schicksal an das Verhalten einiger Chaoten zu hängen?“ - eine Frage, die in bürgerlichen Kreisen vorwiegend Kopfschütteln provoziert. Klaus von Dohnanyi ist ein Mann mit großbürgerlichem Outfit. Er ist das direkte Gegenstück zum filzigen Stallgeruch der Hamburger Gewerkschaften, zum Mief und Grabenkrieg in der hanseatischen SPD. Als Mann ohne Hausmacht, mit einer - nach der Hamburger Verfassung - recht schwachen Position im Senat (“Primus inter Pares“, Erster unter Gleichgestellten), hat schmerzliche Lehrjahre in der Stadt hinter sich. Der langjährige SPD–Fraktionschef Henning Vorscherau ließ ihn die Knute von Partei und Fraktion spüren, benutzte Dohnanyi rücksichtslos zur Entmachtung der SPD–Linken. Dohnanyi zog mit, weil er davon überzeugt war und ist, nur eine konsequente Sparpolitik und die Förderung des privaten Unternehmertums könnten die Stadt aus ihrer Strukturkrise retten. Dohnanyi blieb jedoch immer ein Überzeugungstäter, der seine Vorstellungen zwar oft vom innerparteilichen Gegner und Freund frisieren ließ, Politik aber weniger taktisch als inhaltlich begriff.Im Geheimen träumt er von der Verwirklichung gro ßer Entwürfe, deren Durchsetzung ihm eine grundlegende reformierte Hamburger Verfassung ermöglichen soll. Eine große europäische City, in der sich modernes Unternehmertum, Kultur, Architektur und ein „soziales Herz“ über die engen Hamburger Traditionen erheben - seien es sozialdemokratische oder die geistige Hafenfixierung der Kaufmannschaft. In die „Chefsache Hafenstraße“ stolperte Dohnanyi dagegen unfreiwillig. Der linke Mäzen Jan Philipp Reemtsma öffnete ihm mit einem Kaufangebot für die Hafenstraße die Augen, ließ ihn erkennen, daß Verfassungsschutzberichte als Grundlage politischen Handelns nicht immer ausreichen. Stark beeindruckte ihn auch die Solidarität künstlerischer Prominenz und des humanistischen Kaufmannsverein „Patriotische Gesellschaft“ mit der Hafenstraße. Zum konsequenten Verfolgen einer friedlichen Lösung brachten ihn aber letztendlich die Betonköpfe seiner eigenen Partei, deren mediokre Sturheit ihn seit langem aufregt. Und plötzlich, in eine politische Zwangssituation hineinmanövriert, sprang er über seinen Schatten und reizte die Machtposition eines Ersten Bürgermeisters aus wie nie zuvor. Florian Marten