Bundesdeutsches Gift im Golfkrieg

■ Die Darmstädter Staatsanwaltschaft ermittelt gegen zwölf Firmen in der gesamten Bundesrepublik / „Konkrete Verdachtsmomente“ liegen vor / Eine der verwickelten Firmen, Karl Kolb aus Hessen, produziert seit Jahren Giftgas

Aus Frankfurt Reinhard Mohr

Wegen des Verdachts, illegal „bauliche Anlagen“ zur Herstellung von Giftgas an den Irak geliefert zu haben, hat die Darmstädter Staatsanwaltschaft bundesweit gegen zwölf Firmen strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet. Wie der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Herbert Spohn, der taz mitteilte, liegen „konkrete Verdachtsmomente“ dafür vor, „daß die betroffenen Firmen ohne Genehmigung durch das Bundeswirtschaftsministerium sensible Apparate in Krisengebiete geliefert und damit gegen das Außenwirtschaftsgesetz verstoßen haben“. Nachdem der Kölner Zoll erste Informationen über illegale Lieferungen in den Irak schon im Oktober erhalten hatte, entschloß sich die Darmstädter Staatsanwaltschaft am 25.November, die Durchsuchung von Geschäftsräumen in Hannover, Hamburg, Aschaffenburg, Langen–Dreieich und anderen Städten anzuordnen. Auch Privatwohnungen von Geschäftsführern wurden durchsucht. Die dabei sichergestellten 1.000 Aktenordner sichtet nun eine Sonderkommission. Erste Ergebnisse, so Staatsanwalt Spohn zur taz, seien deshalb frühestens in einigen Wochen zu erwarten. Daß sich im Laufe der Ermittlungen Anhaltspunkte für Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz ergeben könnten, wollte Spohn nicht ausschließen. Vernehmungen von Firmenvertretern habe es noch nicht gegeben. Die verdächtigten Unternehmen haben sich bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert. Fortsetzung auf Seite 2 Allein die Firma Karl Kolb in Langen–Dreieich ließ verlauten, bei ihren Exporten in den Irak habe es sich ausschließlich um „Düngemittel“ gehandelt. Nach Informationen der „Gesellschaft für bedrohte Völker“ in Göttingen produziert die Firma Karl Kolb im südhessischen Langen–Dreieich zusammen mit einem Partner seit Jahren Giftgas. Ein Giftgas–Angriff der irakischen Luftwaffe im April 1987 auf die kurdischen Städte Arbil, Sulaimania und Quaradagh mit Tabun und Senfgas wäre ohne die Firma Kolb nicht möglich gewesen. Nach Berichten der US–Zeitschrift Newsweek sind die beiden Partnerfirmen als „hauptverantwortlich für den Aufbau einer irakischen Giftgasindustrie anzusehen“: Ohne ihre Geräte zur Pestizidherstellung wäre die Produktion der Gifte nicht möglich. Neben den genannten Unternehmen sei auch noch die Dornier Aviation Service mit Sitz Flughafen Frankfurt in das Giftgas–Exportgeschäft verwickelt. Diese Firma habe, so die „Gesellschaft für bedrohte Völker“, unter anderem auch sieben irakische Soldaten zur Ausbildung an der Bundeswehrhochschule Neubieburg bei München „angemeldet“, wo sie Elektrotechnik und Luftfahrt studierten. Eine weitere der zwölf Firmen, gegen die ermittelt wird, die Hamburger Water Engineering Trading (WET), liefert seit Jahren „tonnenweise Chemikalien, die zur Produktion von C– Waffen geeignet sind“, in den Irak. Einer der Leiter der im April 1984 gegründeten Firma WET, der Iraker Nazar Al–Khadhi, hat beste Geschäftsbeziehungen zum irakischen State Establishment for Pesticide Productions (SEPP) in Bagdad. Al–Khadi war zuvor der Geschäftsvertreter der Preussag in Bagdad. Der zweite Leiter von WET, Otto Holzer, war früher Versandsachbearbeiter bei Preussag. Nazar Al–Khadi hat diesen Informationen zufolge auch zwischen der Firma Kolb und dem irakischen State Establishment for Pesticide Productions Geschäfte vermittelt. Die Firma WET jedenfalls hat unter anderem Natriumflorid, Esopropylamin und Phosphortrichlorid in den Irak geliefert. Der Export der zuletzt genannten Chemikalie war von der staatlichen Aufsichtsbehörde in Hamburg untersagt worden.