Fehlende Maßnahmen gegen zuviel Ozon

Alle reden vom Ozonloch – doch auch zuviel Ozon ist schädlich für Mensch, Tier und Pflanze / Ozonkranke Bäume / Autoverkehr sorgt auch im Sommer für Smog  ■ Von Franz Schmider

Ozon in der Luft, das galt bis vor wenigen Jahren als Zeichen hoher Luftqualität, Luftkurorte warben nicht selten mit dem Hinweis auf Spuren des „Supersauerstoffs“ O3 für sich. Spricht man heute von Ozon, jener äußerst instabilen Verbindung von drei Sauerstoffatomen, dann meist im Zusammenhang mit dem berüchtigten Loch in der Ozon-Schicht der Atmosphäre, die die gefährlichen ultravioletten Strahlen abhält. Kaum diskutiert werden hingegen in der Bundesrepubklik die ökologischen Ursachen, die Schäden und die gesundheitlichen Gefahren des Ozons in bodennahen Luftschichten.

Anders in der Schweiz, wo es seit Jahren Grenzwerte für die Belastung der Luft mit Ozon gibt: 120 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft beträgt der Grenzwert, von 180 Mikrogramm an wird die Bevölkerung alarmiert. Mit diesen Werten folgten die Eidgenossen den Vorschlägen der Weltgesundheitsorganisation WHO, die gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Ozon bei gleichzeitiger körperlicher Anstrengung befürchtet. Doch die Grenzwerte allein bewirken noch nicht viel, wie der zurückliegende Sommer zeigte: 31 Mal wurden im Großraum Basel die Alarmwerte überschritten, wurden also durch Ozon besonders gefährdete Asthmatiker und Eltern von Kleinkindern gewarnt, wurden Jogger aufgefordert, die Schuhe im Schrank zu lassen, er ging über Rundfunk und Zeitungen die Aufforderung, schwere körperliche Arbeit wenn möglich zu meiden. All dies hat auf deutscher Seite des Rheins zu Verunsicherung geführt: warum empfielt die WHO Grenzwerte, die von der Schweiz, nicht aber von der Bundesrepublik übernommen werden?

Ozon bildet sich überall dort, wo ein Sauerstoffatom unter erheblicher Energiezufuhr aus einer bestehenden Verbindung herausgelöst wird und sich mit einem Sauerstoffmolekül (O3) verbindet. So werden beispielsweise entlang von Hochspannungsleitungen, aber auch bei einem Gewitter (nach einer Energieentladung durch einen Blitz) hohe Ozonkonzentrationen gemessen. Doch es bedarf nicht immer solch außergewöhnlicher Umstände: an einem klaren Sommertag reicht die normale ultraviolette Strahlung aus, um aus dem im Luftgemisch vorhandenen Stickstoff- und Kohlendioxid ein Sauerstoffatom herauszuspalten, das sich dann mit einem Sauerstoffmolekül zu dem kurzlebigen Ozon verbindet. Das Ozon zerfällt recht schnell wieder, das freie Sauerstoffatom geht wieder in seine alte Verbindung ein und spätestens gegen Abend, wenn die Energiezufuhr durch die Sonneneinstrahlung abnimmt, geht folglich die Belastung mit Ozon wieder zurück – zumindest solange das ökologische Gleichgewicht nicht zerstört ist. In sonnigen Regionen, in Gebieten mit besonders sauberer Luft (dort, wo beispiels weise kein schädliches Kohlenmonoxid in der Luft ist, um das freiwerdende Sauerstoffatom an sich zu binden) und in der Nähe großer Waldgebiete (die Sauerstoff abgeben) wird deshalb ein natürlicher Sockelwert Ozon gemessen. Daher auch die Werbung mit Ozon.

Der Sommersmog

Ganz anders sieht die Situation dort aus, wo die Schadstoffbelastung der Luft sehr hoch ist. Dort entstehen derart viele Ozonmoleküle, daß die Grenze zur Gesundheitsgefährdung schnell erreicht oder überschritten wird. Man spricht dabei vom Sommer- oder Fotosmog. Die genauen chemischen Reaktionen sind im Detail noch nicht bekannt. Sicher ist, daß NO2 eine erhebliche Rolle dabei spielt.

Das Stickstoffdioxid, das zu einem erheblichen Teil aus den Auspuffanlagen der Kraftfahrzeuge stammt, dient dabei als Katalysator. Das Sauerstoffatom seinerseits löst bei den Kohlenwasserstoffen, vor allem den sauerstoffhaltigen, eine Reihe von Oxidationsreaktionen aus. Am Ende der zahlreichen Reaktionen des Sauerstoffs mit den Kohlenwasserstoffen stehen mehr freie Sauerstoffatome, also auch mehr Ozon- Moleküle, als am Anfang.

Besonders betroffen dabei sind nicht die Städte, wo die Schadstoffe ausgestoßen werden. Denn dort wird gegen Abend der Sauerstoff von den in der Luft enthalte nen Schadstoffen wie Stickstoff- oder Kohlenmonoxid wieder gebunden und die Ozonkonzentration ist niedriger als auf dem Land. Dort „fehlen“ die Schadstoffe, die das Ozon unschädlich machen könnten. Hierin ist möglicherweise auch ein Hinweis zu sehen, weshalb Bäume in den Städten häufig später erkranken als auf dem Land.

Überhaupt spielt Ozon in der Diskusssion über die Ursachen des Waldsterbens eine zunehmend wichtigere Rolle. Zwar wird über die genauen Gründe und Wirkungsmechanismen weiter gerätselt, daß aber Fotooxidatien als Folgeprodukte der Ozonbelastung wesentlich zum Tod unserer Wälder beitragen, ist unumstritten.Ozon gilt seit langem als eines der gefährlichsten Zellgifte.

Ozon: Gift für die Lunge

Untersucht wurden bisher neben seinen Wirkungen auf Pflanzen auch die gesundheitlichen Gefahren für den Menschen. Nach einer amerikanischen Studie beeinträchtigen schon Konzentrationen zwischen 185 und 230 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft die Funktionsfähigkeit der Lunge. Meßbare Wirkungen zeigten sich vor allem dann, wenn die Testpersonen schwere körperliche Arbeit verrichteten. In diesen Fällen war nicht mehr nur die Lungenfunktion gestört, sondern auch die Tätigkeit des Augenmuskels. Zudem war die Sehschärfe beeinträchtigt. Besonders problematisch wirkt Ozon aber auf Kranke, allen voran Asthmatiker. Hier ergaben Tagesmittelwerte von 100 Mikrogramm (ein Wert, der in Basel in diesem Sommer nahezu täglich erreicht wurde, es sei denn, es regnete mehrere Tage) über mehr als 24 Stunden eine merkliche Steigerung der Krankenhauseinlieferungen wegen Atemwegserkrankungen.

Trotz allem scheint in der Bundesrepublik kaum jemand von diesem Problem Kenntnis genommen zu haben. Im Umweltministerium ist man auch heute noch der Meinung, das Ozon-Problem falle unter die Smogverordnung, sei also Ländersache.

Das Stuttgarter Umweltministerium hingegen ist der Meinung, daß eine bundesweite Regelung notwendig und demnach Bonn zuständig sei. Und das Bundesumweltamt in Berlin weist in einem Schreiben an das Lörracher Landratsamt darauf hin, daß es sich beim Ozon um ein reines Sommerphänomen handelt, eine Aufnahme von Ozon-Grenzwerten in die Smogverordnung deshalb nicht sinnvoll sei.

Bislang gibt es in der Bundesrepublik lediglich die Richtwerte, die in etwa den Grenzwerten der Schweiz entsprechen. Nur haben Richtwerte eben einen empfehlenden Charakter, weshalb sich auch kaum jemand für deren Einhaltung interessiert. Auf der anderen Seite gibt es in der Schweiz zwar rechtsverbindliche Grenzwerte – eingehalten werden sie jedoch nicht. Das hängt damit zusammen, daß Ozon ein Sekundärschadstoff ist, es also keinen direkten Verursacher gibt. So heißt es in dem Schreiben des Umweltbundesamtes an die Lörracher Kreisverwaltung: „In der Tat werden die Grenzwertempfehlungen der Weltgesundheitsorganisation vielfach großräumig überschritten.“ Besonders betroffen seien der Oberrheingraben, das Rhein- Main-Gebiet und die Kölner Bucht. Doch „um eine deutliche Senkung der Ozonbelastung zu erreichen, müßten die Enmissionen von Stickoxiden und Kohlenwasserstoffen in ganz Mitteleuropa drastisch gesenkt werden. Wichtigste Quelle für beide Schadstoffgruppen ist der Kraftfahrzeugverkehr“. Und das ist wohl auch der Grund, weshalb nichts passiert. Ein Mitarbeiter des Umeltbundesamtes: „Im Grunde müßte man den ganzen Autoverkehr einstellen, sobald im Sommer längere Zeit die Sonne scheint.“ Das wird die Autolobby zu verhindern wissen.

Doch die Zeit drängt, in diesem Jahr hat lediglich der verregnete Sommer schlimmere Schäden verhindert. Und die Zerstörung der Ozon-Schicht in der Atmosphäre vergrößert die Gefahr. Denn je stärker die UV-Strahlen bis zur Erde durchdringen, desto mehr Ozon wird hier gebildet. Was oben zu wenig ist, ist unten zu viel. Und bekanntlich konnte sich die Bundesregierung nicht zu einem Verbot der Treibgase durchringen, die die Zerstörung der Ozon-Schicht bewirken.