Besser ohne Störfaktor

■ Genscher-Besuch in Polen

Genschers Besuch in Polen markiert einen bedeutsamen Wandel des deutsch-polnischen Verhältnisses. Nicht mehr ideologische Denkmuster, die diesen Besuch 1984 zum Scheitern brachten, sondern handfeste Interessen bestimmen vor dem Hintergrund der allgemeinen Klimaverbesserung zwischen Ost und West die Politik. Angesichts der katastrophalen Wirtschaftslage und der drückenden Schuldenlast setzt die polnische Führung stärker als je zuvor notgedrungen auf ökonomische Unterstützung des Westens. Zugleich hofft sie, ihre labile innenpolitische Stellung durch Anerkennung von außen zu festigen.

Der Bundesrepublik mißt sie dabei besondere Bedeutung zu, denn sie ist nach der Sowjetunion der zweitgrößte Handelspartner und genießt zudem in der polnischen Bevölkerung besonderes Prestige. Bonn wiederum will im eigenen ökonomischen Interesse Polens Wirtschaftsprobleme überwinden helfen und zur politischen Stabilisierung des Landes beitragen. Denn in Genschers Sicht ist Polen mit seiner gegen ein ungeliebtes Regime aufbegehrenden Bevölkerung ein gefährlicher Unruheherd im Ostblock und damit ein Störfaktor für die internationale Politik.

Dabei hat Genscher offenbar aus früheren Fehlern Bonner Polen-Politik gelernt, daß eine Verständigung auf Regierungsebene zur Verbesserung des Verhältnisses nicht ausreicht, daß im Gegenteil eine allzu deutliche Unterstützung des Jaruzelski-Regimes die polnische Gesellschaft verstimmt und ihr Verhältnis zur Bonner Regierung eher trübt. Wenn er diesmal die Unantastbarkeit der polnischen Grenzen, das Hauptanliegen aller Polen, in den Mittelpunkt stellt und der offiziell als illegal behandelten Opposition ostentativ Anerkennung zollt, so schafft er damit der Verbesserung der deutsch-polnischen Beziehung insgesamt am ehesten die notwendige Basis. Thomas Luwa