QUERSPALTE
: Nimm ihn wieder, Erich

■ Zur Einweisung Krawcyks in die BRD

Als Musikkritiker ist Erich Honecker einsame Spitze: Die Entscheidung, Stefan Krawczyk des Landes zu verweisen, ist unter rein künstlerischen Gesichtspunkten von seltener Geistesschärfe: Ein eindeutiges, konsequentes Votum gegen Gesangsjammern (“Abgestürzt vom Rand der Tränen/ lang genug umsonst geheult...“ usw.) und talentlose Lyrik, die das übliche Betroffenheitsmittelmaß noch unterschreitet.

Im westdeutschen Kulturbetrieb haben „Dichter ab zwei Groschen abwärts“ (Morgenstern) ohnehin die allerbesten Erfolgsausssichten; handelt es sich dann auch noch um authentisch-östliche Schmerzensmänner mit starker Neigung zum Dissidieren, ist quasi alles klar und geritzt: Krawczyk wird uns als Themanummereins, als Idealtypus des Vollheroen medial um die Sinne geschlagen, und U. Lindenberg will ihn auch noch bei und mit sich singen lassen, ein doppelter horror teutonicus.

Ein selten gerechtes Schicksal hat Stefan Krawczyk zunächst nach Bielefeld verschlagen – einen geistverlasseneren, niederschmetternderen Ort kann es auch in der DDR nicht geben – , mittlerweile ist der bis tief hinein in die Knobelbecher ehrliche Sänger allerdings von dort wieder entwichen. Da dringend zu befürchten steht, daß Krawczyk trotz allem aus alten Repressalien irrtümlich eine Qualität seiner Künste ableiten und lauthals verkünden wird, hier eine Bitte um humanitäre Hilfe an Honnecker: Nimm ihn zurück, Erich! Er will es so demonstrativ, und wir wollen es wirklich. wiglaf droste