Gastkommentar
: Beton-Regime

■ Ceausescu will die Zahl der Dörfer halbieren

Der rumänische Diktator Ceausescu läßt sich zuweilen auch erster Architekt des Staates nennen. Nicht ganz unberechtigt, wenn man bedenkt, daß in den letzten 20 Jahren die historischen Stadtkerne in Rumänien, einschließlich Bukarest, auf seinen Befehl hin zum großen Teil abgerissen und durch zeitgemäße, der „goldenen Epoche“ - so die Selbstdarstellung - entsprechende Betonklötze ersetzt wurden. Wie sich nun zeigt, hat der alleindenkende Architekt noch weit Größeres vor. Er, der sein Land mit Vorliebe aus dem Hubschrauber betrachtet, hat mit der ihm eigenen arithmetischen Treffsicherheit herausgefunden, daß auf dem Schachbrett Rumänien zu viele und zu kleine Dörfer stehen. Eine der fixen Ideen von Ceausescu ist die zentrale Planung und Lenkung, sprich Kontrolle. Die Zahl der Dörfer soll halbiert werden, die verbleibenden sollen sich um 550 sogenannte agroindustrielle Zentren gruppieren. Dies bedeutet die Subsumierung des menschlichen Zusammenlebens unter die ausbeuterischen Staatsinteressen, die Verwandlung von Wohnung in Lager. Das Ergebnis wäre ein so nie dagewesener Eingriff in die Identität der Menschen, ein weiterer Schritt zur Vernichtung jeder Authentizität, der vielleicht entscheidende Schritt auf dem Weg zur Schaffung eines Menschen ohne gewachsene Bindungen, der nur noch als Arbeitssklave dem Regime zur Vefügung steht. Wieviel darf ein Regime mit den Menschen machen, ohne daß sich die internationale Gemeinschaft einmischt? Eine internationale Ächtung des Ceausescu–Regimes durch West und Ost ist fällig. Richard Wagner, Schriftsteller im Exil