Mörder ohne Maske

■ DDR II, 20 Uhr

Wenn ihn schon White Witch Doctor Mitchum kaum interessierte, so hatte er für Rudolph Mates Second Chance (Mörder ohne Maske) nur noch Verachtung übrig. Crashing Thrills! Crushing Kisses!, schrie die Werbung, was der Film auch hält, weil Jack Palance und Linda Darnell mitspielen. Mitchum ist ein Ex-Boxer, der in Mexiko Vergessen sucht, weil er im Ring einen Gegner getötet hat. Dort lernt er die gangster moll Darnell kennen, die von einem Profi-Killer verfolgt wird, weil sie vor Gericht gegen ihren Freund aussagen will. Am Ende hängen alle drei in einer Seilbahn über einer Schlucht und kämpfen auf Leben und Tod. Der Killer stürzt ab, und Mitchum rettet Linda Darnell in letzter Sekunde.

Die Kolumnistin Hedda Hopper fragte ihn bei einem Besuch, was Hollywood ihm gebracht habe, was er anderswo nicht hätte kriegen könnnen. Seine Frau Dorothy antwortete für ihn: „Nun ja, ich habe drei Kinder bekommen, aber ich nehme an, die hätte ich auch anderswo kriegen können.“ Mitchum stimmte lachend zu. „Trotzdem kämpfen Sie immer um gute Stories“, sagte Hopper zu ihm. Er habe nie für eine Geschichte gekämpft, weil man dabei der todsichere Verlierer sei. „Warum geben sie Ihnen keine guten Geschichten?“ Weil Woolworth auch nicht zu Tiffany's gehe, antwortete er. „Tiffany's macht auch Geld.“ Aber die ziehen auch bessere Kunden an. Ob sie je einen typischen Mitchum-Fan gesehen habe... trübe Augen, unrasiert. Wer braucht sowas?

Und zu Second Chance erzählte er: „Ich sage das nicht gern, aber ich kümmere mich ganz ehrlich einen Dreck darum. Ich mache keine Vorschläge. Natürlich, wenn alle aufeinander losgehen, mache ich vielleicht eine kleine Andeutung. Aber ich sagte zu RKO: 'Das ist euer Baby. Ich les die Zeilen runter, wie sie hingeschrieben sind. Das ist mein Job, ich habe nur noch ein Jahr bei der RKO.'“ Und er glaube nicht, daß er seinen Vertrag verlängern werde. Auf die Frage, welche Rollen er am liebsten spielen würde, meinte er: „Ich würde gerne wunderbar wichtige Rollen spielen, schwierige Rollen, für die man drei Tage Arbeit braucht. Ich würde hingehen, meinen Teil dazu tun, mein Make-up einpacken und auf die Farm zurückfahren. Ich wäre brillant in einer Drei -Tages-Rolle. Wenn's mich interessiert, kenne ich meine Zeilen und die von allen anderen. Wenn ich's nicht bin, komme ich auf den Sekt und sage: 'Sagt mir, was ich sagen soll.‘ Kein Ärger, kein Kummer, kein Streß. Wenn du mein Interesse willst, interessier mich. Wenn du nur meine Anwesenheit willst, bezahl mich.“ Und zu den Leuten, mit denen er zu tun hatte: „Ich fühl mich unwohl, wenn die Leute im Büro, die auch Telefonabhörer, FBI-Männer oder irgendwelche Greifer sein könnten, sich als Produzenten, Autoren oder eine Kombination von beidem herausstellen. Das bedrückt mich. Ich hör mir ihre Geschichte an, aber ich bin wie der Kerl auf dem Rummel. Ich würd jedem 30 Cents geben und mir seine Geschichte anhören. Aber wenn's eine schlechte ist, gebe ich ihm 30 Cents und sag ihm, er soll abhauen. Aber oft bringen sie mich aus der Fassung, indem sie sagen: 'Wir glauben, das is toll.‘ Wenn sie zu mir sagen würden: 'Es stinkt, aber laßt es uns machen‘, dann wäre ich dabei. Ich bin sicher nicht hier, weil ich besonders geschickt oder vielseitig bin.“

Irgendwie muß ihm die Höhenluft in Mexiko zugesetzt haben, denn er redete sich richtig in Rage. Und weil Second Chance in 3-D gedreht wurde, fügte er gleich noch hinzu: „Es ist wie bei einem Klo auf dem Land. Wenn genügend Scheiße drin ist - und zwar im Sommer, nicht im Winter, wenn's gefroren ist -, dann ergießt sie sich irgendwann über ihren Erzeuger. Scheiße ist Scheiße. Jetzt gibt es diese Trickbrillen, und man kann den Haufen von beiden Seiten sehen. Irgendein Fabrikantenganove hatte ein paar Brillen über, die er nicht verkaufen konnte. Wenn's Geschäft in Hollywood schlecht geht, flieht jeder in Panik. Während der Depression ging's der Autoindustrie auch schlecht. Aber anstatt panisch zu fliehen, haben sie neue Modelle konstruiert. Das war eine solide Entwicklung. Aber wenn es ihnen hier schlecht geht, läuft jeder völlig kopflos umher. Ich glaube, zur Zeit sind wir in einem Stadium, wo wir noch genügend zugeben können. Die Bestechlichkeit hat neue Höhen erreicht. Okay, laßt sie ihre Häuser in Florida haben und ihre vier Millionen Aktien und 14 rosa Rolls-Royce, aber laßt wenigstens irgendwen zur Arbeit gehen. All diese Trickbrillen - irgendjemand wird dabei noch die Hasenpest kriegen. Wir müssen das Kino wirklich wieder als Institution etablieren. Man stelle sich einmal vor, daß in 1.000 Jahren Leute durch unsere Ruinen wandern und ein Kino finden. Alle Sitze schauen in die gleiche Richtung, aber es gibt keine religiösen Symbole. Sie werden sagen: 'Warum haben sich die Leute versammelt? Es kann doch nicht so viele Politiker gegeben haben.'“

(aus: Michael Althen, Robert Mitchum. Seine Filme, Sein Leben. Heyne, S. 155 ff.)