Hemdsärmel schlägt zu

■ CDU-Chef Neumann fordert Rücktritte bei der SPD und beklagt „Dämlichkeit“ der CDU

Der einzige Mann, der in Bremen mit dem Skandal um die „Schwarzgeldklinik“ St.-Jürgen-Straße so richtig aufräumen kann, präsentierte sich gestern in Hemdsärmeln der Presse: Es ist der CDU-Landesvorsitzende und Bonner Abgeordnete Bernd Neumann. „Daß jemand in die Kasse greift, gibt es überall“, weiß Neumann aus Erfahrung, „aber sowas wie der St.-Jürgen-Skandal ist nur möglich in einem System, wo seit Jahren Filz und Parteibuchwirtschaft herrschen.“

Mit distanziertem Bonner Blick nahm Neumann mehrere Anläufe, seiner Hemds-Brust unter dem engen Druck der Empörung Luft zu verschaffen. „Das ist unanständig sowas“ begann er väterlich. „Die Macht der SPD ist allgegenwärtig, da herrscht die Angst, da herrscht Duckmäusertum“, warf er sich zur Analyse auf und steigerte sich schließlich zum Saubermann („Und den muß man hier spielen“): „Da ist nichts mit Peristroika und Glasnost. Man denke mal an die Sowjetunion, die räumen jetzt auf“.

Doch in Bremen: Fehlanzeige. Nicht nur daß sich „die Genossen“ gegenseitig decken, auch Neumanns „Freunde“ aus der eigenen Partei müssen sich zurückhalten - Klein und Kudella als Mitglieder des Untersuchungsausschusses und ihr Fraktionsvorsitzender Metz, weil es sich für einen Bremer Parlamentarier so gehört. Bleibt nur noch Bernd Neumann und der darf dafür umso kräftiger auf die Sahne hauen. Gleich vier Polit-Kollegen von der Filz-Partei forderte er gestern zum Rücktritt auf: SPD-Chef Brückner, dessen frühren Senatsdirektor im Gesundheitsressort und heutigen Chef der Senatskanzlei, Euler, Henning Scherf und den Abgeordneten und Notar Monnerjahn. Alle hätten sie von Gallas Schiebereien oder zumindest von seiner Unfähigkeit im Amt gewußt und nicht recht darauf reagiert.

„Ich hätte Herrn Neumann für seriöser gehalten“, kommentierte Hans-Helmut Euler, als einziger der angeklagten Vierer-Bande gestern nicht in Urlaub, „ich habe von Gallas Machenschaften nichts gewußt“. Hätte er etwas gewußt, „wäre Galla längst aus dem Amt verwiesen worden“. Neumann hatte das Dementi vorausgesehen und auch einen weiteren Einwand gegen seine Rücktrittswünsche: „Die werden jetzt natürlich sagen, das ist Vorverurteilung...“

Wie zum Beweis seiner parteiübergreifenden Aufrichtigkeit forderte Neumann gestern nicht nur Rücktritte aus den Reihen der Bremer SPD-Prominenz, sondern teilte auch an seine „Bonner CDU-Freunde“ kräftig aus. „Dämlich“ habe sich die CDU-Führung in Sachen Steuerreform angestellt, „taktische und strategische Fehler“ habe Finanzminister Stoltenberg begangen und „Nebenkriegsschauplätze“ habe Fraktionschef Dregger eröffnet. Persönlich tragisch für den Bremer Rächer der Entrechteten ist nur, daß er in Bonn trotz seines Saubermann-Talents nur einen Sitz auf der Hinterbank drücken darf und gerade mit einem neuen Fraktionsjob beschäftigt wurde: Der orale Muskelmann ist - wer hätte es gedacht - ab sofort für die CDU-Kulturpolitik zuständig.

Ase