MARCIA PALLY

 ■  Heute über Zehgelenkmassage

Die Journalistin Marcia Pally ist in den USA als radikale Feministin bekannt und gleichzeitg als Chef-Filmkritikerin für „Penthouse“. Sie schreibt u.a. für „The Village Voice“, „The Nation“, „The New York Times“. Und einmal im Monat in der taz, was Europäer über Amerika wissen sollten.

Vor ein paar Tagen hat mich die taz-Reporterin Renee Zucker angerufen. Sie recherchierte für einen Artikel über Herzanfälle und fragte die Leute, was sie empfinden, wenn sie hören, daß einer einen Infarkt hatte. Ich erzählte ihr, daß die Herzinfarkte hier von AIDS verdrängt worden sind und einen neuen Agenten gebrauchen könnten. Aber das trifft nicht genau, was ich empfinde, wenn ich „Herzinfarkt“ höre. Eigentlich denke ich: „Oh Gott, wie kriege ich ihn nur aus meiner Wohnung raus.“ ***

Mädchen, kennt Ihr das? Es ist Pause, Euer Freund geht pinkeln, auf dem Klo oder draußen, während sich die Schlange vor der Damentoilette um keinen Deut bewegt. Forschungen haben jetzt erwiesen, daß Frauen in der Tat länger brauchen und daß die Fifty-Fifty-Aufteilung der Toiletten eine schreiende Ungerechtigkeit ist. 20.000 Dollar hat die Cornell University ausgegeben, um genau zu bestimmen, wieviel länger Frauen brauchen, und das ist billig, wenn man bedenkt, wieviele Frauenstunden beim Anstehen verloren gehen.

In den Toiletten entlang des Washington State Highway hat der Cornell-Wissenschaftler Anh Tran den kleinen Unterschied exakt gestoppt. Gehen Sie jetzt von Ihrer persönlichen Erfahrung aus, und kreuzen Sie die Zahl an, die Ihrer Schätzung am ehesten entspricht: (a) 14 Sekunden; (b) 34 Sekunden; (c) 64 Sekunden; (d) 94 Sekunden. (Lösung unten auf der Seite.) ***

Der stets aktuelle Tickerdienst von Associated Press hat den amerikanischen Zeitungen jetzt die Meldung über ein bahnbrechendes Gesetz zukommen lassen, das der City Council of El Paso, ein Mekka des Fortschritts in Texas, erlassen hat und das Freidenker in der ganzen Welt freudig begrüßen werden: Masseure und Masseurinnen dürfen ab sofort auch die Füße des jeweils anderen Geschlechts massieren (wußten Sie etwa nicht, daß auch Füße ein Geschlecht haben?). So retteten die Stadtväter von El Paso das Foot Rub Inn, das mit den städtischen Prostitutionsgesetzen in Konflikt gekommen war und gaben ihm die Genehmigung, mit seinen Zehgelenkmassagen fortzufahren - zuvor allerdings mußte noch der „Fuß“ definiert werden: Er hört am Knöchel auf. Danke! ***

Studenten der zeitgenössischen Kultur werden sich freuen zu hören, daß die Cicciolina, die italienische Porno-Göttin und Parlamentsangehörige, jetzt ihre Kiss-and-Tell -Autobiographie vorgelegt hat. Confessions lautet der bescheidene Titel. In meiner Faszination bin ich gleich zum nächsten Buchladen gerannt. Und das nur um zu erfahren, daß sie in ihrer wilden Jugend für den ungarischen Geheimdienst gearbeitet und daß sie amerikanische Diplomaten ausspioniert hat, an deren Namen sie sich nicht erinnern kann. Nach der Lektüre war ich froh, daß diese Dame nicht allein von ihrer Intelligenz zu leben braucht. ***

Zum Schrecken amerikanischer und sowjetischer Behörden verlautet aus Quellen hinter dem Eisernen Vorhang, daß gut zwei Millionen Videorekorder den Weg in den Ostblock gefunden haben und auf dem schwarzen Markt zu exorbitanten Preisen gehandelt werden: 5.600 Dollar in Rumänien und Bulgarien. Verbotene Filme wie Caligula und Emmanuelle, echte Pornos, Sylvester Stallone-Filme, Science Fiction, Horror und amerikanische Fernsehserien wie Denver und Dallas werden im Osten gern geguckt.

Die sowjetische Regierung ist gegen Videos, weil sie die Leute von den eigentlichen Schwierigkeiten des Lebens ablenken könnten - das ist genau der Grund, warum auch die Amerikaner Video so lieben. Aber ich nehme an, daß die Regierung ihre Politik angesichts der häufigen Unruhen in den Republiken überdenken wird. Schließlich gibt es in Danzig mehr Aufstände als in Pittsburgh, und der Staat könnte beim Videoverleih eine kleine Extra-Gebühr eintreiben. Abrüstungsverhandlungen sind oft schwierig, aber hier haben wir ein Thema, bei dem sich die Regierungen einigen könnten. ***

Das kommunistische China hat Jackie Collins Roman Lovers and Gamblers wegen seiner freizügigen Sex-Szenen verboten. Der gleiche Fehler wie oben. Angst vor Wandzeitungen und Protest? Gebt ihnen Käsekuchen! ***

Ziemlich irritiert hat die Amerikaner die neueste Erhebung über das deutsche Hygiene-Verhalten. Danach wechseln die Deutschen ihre Unterwäsche und Bettücher seltener als andere Europäer. Nur 45 Prozent der deutschen gegenüber 56 Prozent der französischen und 59 Prozent der spanischen Männer wechseln ihre Unterhosen täglich, und nur 70 Prozent der deutschen Frauen gegenüber 94 Prozent der Französinnen und 96 Prozent der Spanierinnen. 17 Prozent der Deutschen wechseln ihre Bettücher wöchentlich, gegenüber 56 Prozent der Franzosen und 93 Prozent der Spanier.

Schockiert sind wir Amerikaner nicht aus Sorge um die Gesundheit oder Hygiene der Deutschen, sondern weil wir soviele wundervolle Witze über deutsche Sauberkeit und Ordnung haben und keine Lust, sie zu revidieren. An manchen Witzen arbeiten wir seit dem Zweiten Weltkrieg, andere sind vom Vater auf den Sohn übergegangen und ein wichtiger Baustein für unser nationales Überlegeneitsgefühl. Das geht ungefähr so: Wenn die Russen kommen, müssen wir für Unterwäsche schlangestehen, wenn die Deutschen kommen, müssen wir sie kontrollieren lassen.