Gen-Tec-Opposition macht Dampf

■ Auf dem Kölner Kongreß traf sich ein breites Bündnis von Kritikern / Notfalls Milchstreik gegen das Rinderwachstumshormon BST / Defizit an Risikoforschung und demokratischem Bewußtsein

Köln (taz) - „Es hätte Mühe gemacht, etwas Dümmeres zu finden“, urteilte eine Kritikerin der Gen-Technologie aus der Schweiz. Daß die Industrie ausgerechnet mit einem Mittel zur Steigerung der Milchleistung, dem sogenannten Rinderwachstumshormon (BST), den gentechnologischen Einstieg in die Landwirtschaft versucht, stößt angesichts der Milchüberschüsse in der Europäischen Gemeinschaft sogar bei Ciba-Geigy-Vertretern auf Erstaunen. Die „Kampagne gegen Rinderwachstumshormone“, die in der Bundesrepublik bisher 70.000 Unterschriften sammelte, gehörte zu den Mitveranstaltern des Kongresses über Bio- und Gentechnologie, der am Sonntag in Köln zu Ende ging. Im breiten Bündnis hatten 30 kritische Initiativen und Organisationen aus den Bereichen Umweltschutz, Human- und Tiermedizin, Feminismus, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zur Diskussion über „Gen-Alltag Biotopia“ eingeladen. Der Kongreß markierte den Zusammenschluß der Gen-Tec-Gegner zum ersten Mal öffentlich. Nicht wenige fühlten sich an die ersten Konferenzen der Anti -Atom-Bewegung erinnert.

Rund 250 TeilnehmerInnen aus dem gesamten Bundesgebiet und Westberlin reisten an, zum Informationsaustausch und Nachdenken über mögliche Formen des Widerstandes. Wie vielfältig der schon jetzt praktiziert wird, macht die bunte Zusammensetzung des Trägerkreises deutlich: Gesetzte Wissenschaftler neben Öko-Bauern und Feministinnen, Naturschützer neben Tierversuchsgegnern. Das Bündnis ist breit, und Eile ist angesagt. Denn während die gentechnologische Forschung mit Millionen-Beträgen aus öffentlichen Mitteln gefördert wird, die Industrie mit gentechnisch hergestellten Produkten bereits auf den Markt drängt, sei das „Defizit an Risikoforschung dramatisch“, betonte Regine Kollek, Vorstandsmitglied des Freiburger Ökoinstituts. Die Molekularbiologin forderte ein Moratorium für die gentechnologische Forschung.

Nicht minder dramatisch empfinden die Gegner der Gentechnologie das Demokratie-Defizit: „Es ist untragbar, daß eine neue Technologie mit so weitreichenden Konsequenzen am Bürger vorbei eingeführt wird“, so ein Sprecher der Bürgerinitiative „Hoechster Schnüffler und Maagucker“. Die „Luftberiecher und Mainwasser-Gucker“, die durch ihren Widerspruch die Firma Hoechst seit einem halben Jahr daran hindern, eine Anlage zur Herstellung von Human-Insulin zu errichten, rechnen „nun in Kürze mit dem behördlichen Bescheid“ über ihren Widerspruch. Auch in Sachen Rinderwachstumshormon stehen Entscheidungen unmittelbar bevor. Bereits heute wird im Europäischen Parlament über die Zulassung abgestimmt: Sollte das Parlament für die Zulassung stimmen, werden die Gegner zum Milchboykott aufrufen.

„Erst die Kuh, dann Du!“ kursiert als Slogan der Kampagne. Die Durchsetzung gentechnisch erzeugter Produkte am Markt dürfte allerdings in umgekehrter Reihenfolge stattfinden. Die Industrie, so die Kritiker auf dem Kölner Kongreß, versuche die zögernde bis ablehnende Haltung der Bevölkerung zunächst im Bereich der Pharmamittel aufzuweichen: „Dort ist die Akzeptanz noch am größten“.

Die feministische Kritik am „Zuschneiden von Lebewesen“ durch Gen- und Reproduktionstechnologien bleibt trotz Einschüchterungsversuchen unvermindert stark. Der Kongreß sandte einen Solidaritätsbrief an Ulla Penselin und Ingrid Strobl. Nicht nur, weil sie die Kinder kriegen, sind Frauen besonders vom gentechnischen Eingriff in die Natur betroffen: Auch Anbau und Weiterverarbeitung von Nahrungsmitteln liegen weltweit vorzugsweise in den Händen von Frauen. Ein Frauenkongreß zum Thema Gentechnologie ist für den Herbst geplant.

Yvonne Mabille