Weltstadt Karstadt

■ Karstadts neuer Schlemmertempel feiert heute Eröffnung: Frische Kost in post-modernem Ambiente / Die Tiefkühltruhe als „Erlebnisinsel“

Die teuerste Flasche Champagner der Welt, die schönste Bremerin, die königlichste Weintrinkerin Badens, den urwüchsigsten Waldschrat der Lüneburger Heide und die kostbarsten Töne der Opernliteratur - was immer sich in Augen des deutschen Einzelhandels des Rufs besonderer Kost -und Lustbarkeit erfreuen darf, hatte die Karstadt AG gestern zu Ehren von 18 laufenden Metern Wurstaufschnitt, 350 verschiedenen Käsesorten, 30.000 LP-Titeln und allzeit ofenfrischen Semmeln in den Keller von Bremens größtem Kaufhaus gebeten.

Aber, was heißt hier Keller? Die Zeiten, in denen das Angebot von Lebensmittelabteilungen sozusagen dem Muster des Warenkorbs zur Berechnung von Sozialahilfe-Mindestsätzen dienen konnten, sind mit dem neuen 1.800 Quadratmeter-Tempel der Sinnes-, Fleisches-, Wurst- und Shrimpssalat-Lust endgültig vorbei. Wer hier nach acht Bürostunden noch schnell für Siebenmarkneunundachtzig ein Achtel Hackepeter, zwei altbackene Brötchen und ein paar Zwiebeln fürs Single -Abendbrot kaufen will, findet zwar nach wie vor, was er will. Bloß ob er noch will, dürfte die Frage sein: In sehr weißem und sehr indirektem Licht locken während der Suche nach dem „Nötigsten“ die exotischsten Früchte, die italienischsten Pa

BLOCKENDE

sta, die französischsten Rotweine zwischen Chrom, Spiegeln, Weißlack-Regalen. Bei Karstadt hat „new-wave“ von der amerikanischen Nobeldisko über die deutsche young-generation -Boutique inzwischen Einzug in den Handel mit Vorzugsmilch und gemischtem Paprikagemüse gefunden. Besonders faule Köche oder besonders eilige Stadtbummelanten können direkt vor Ort vorkosten, was die Karstadtküche zu bieten hat: Das Steak, das vor dem Tresen ausgesucht wird, wird hinter dem Tresen auf Wunsch sofort undone, medium oder (ungern) „durch“ gebraten. „Erlebnisinseln“ nennt der alte Herr über das neue Kaufhaus, Hans Hinrich Blumenberg, die „post-modernen“ Snackbars zwischen Feinkost, Fisch-und Fleischabteilung.

60 Millionen will Karstadt noch in den eigenen Optimismus, den Umbau eines der ältesten Häuser der Karstadtkette und die Gunst seiner Kunden investieren und gegen die Bremer Trauerkloß-Wirtschaftskrisen-Atmosphäre klotzen. Am Ende soll auch durch Bremen ein bißchen Weltstadtatmosphäre wehen. Und sei es bloß im Kaufhaus Karstadt. Zumindest im Keller können sich die Bremer schon ein bißchen davon um die Nase wehen lassen.

K.S.