Im Reagenzglas: die Bundesrepublik

Das Kölner Katalyse-Institut feierte sein zehnjähriges Bestehen. Es ist eines der ersten und erfolgreichsten ökologischen Forschungsinstitute, die sich einer kritischen Gegenwissenschaft verpflichtet fühlen  ■  Aus Köln Detlef Kutz

Im Kölner 'VolksBlatt‘ erschienen vor elf Jahren zwei Artikelserien über Wasser- und Luftverschmutzung in Köln. Diese Serien hatten beim Publikum so große Resonanz, daß die Autoren im Februar 1978 auf die Idee kamen, eine Gruppe aus Technikern und Naturwissenschaftlern zu gründen. Durch einen Aufruf fanden 21 Leute zusammen und nannten sich „Katalyse Umweltgruppe“. Wenn dennoch erst jetzt der zehnjährige Geburtstag gefeiert wurde, hat das einen einfachen Grund: das Jubiläum wurde schlicht vergessen.

Die kritischen NaturwissenschaftlerInnen packten im 'VolksBlatt‘ ein neues Thema an: „Chemie in Lebesmitteln“, das auch im Selbstverlag als Buch erschien.

Die 'VolksBlatt'-Redaktion war nicht bereit, das Buch zu verlegen: ihr war das Ganze nämlich - aus heutiger Sicht kaum verständlich - zu unpolitisch. Es zählt heute mit einer Gesamtauflage von 360.000 verkauften Exemplaren zu den erfolgreichsten Sachbüchern des deutschen Sprachraums.

17 weitere Publikationen mit weit über einer Million Auflage hat die Katalyse in den folgenden Jahren auf den Markt gebracht. Bei etlichen Auseinandersetzungen mit der Lobby der Lebensmittel-Industrie zeigte sich, wie wichtig es war, einen möglichst umfassenden Zugang zu allen wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu haben, damit man Gegendarstellungen sofort auf die sachliche Richtigkeit prüfen und Klagen abwehren konnte. Man richtete ein Computerterminal mit Anschluß an die DIMDI-Datenbank in Köln ein. Heute hat Katalyse Zugang zu allen wissenschaftlichen Datenbanken der Welt. Auch die Erlöse der Buchproduktion wurden nutzbringend angewendet: Bei Anfragen besorgter Bürger zeigte sich, daß es in vielen für die Gesundheit entscheidenden Bereichen Forschungsdefizite gab. Deswegen wurde ein eigenes Labor zur Analyse von Wasser, Boden, Luft und Lebensmitteln eingerichtet.

Für das Labor wurde 1983 kurzerhand eine Etage mit Gewerbeanbau gekauft. Man startete mit Schwermetallanalysen von Böden und Lebensmitteln und veröffentlichte die Ergebnisse in einigen Büchern, in Zeitschriften und Fernsehmagazinen. Insgesamt sieben MitarbeiterInnen, vier im Labor und drei im Verein, konnten fest angestellt werden. Im Zuge dieser Arbeiten sind Stoffe wie Formaldehyd, Natriumlaurylsufat (NLS) und Dioxan in die Diskussion geraten.

Mit ihrer Arbeit hat sich die Katalyse natürlich nicht nur Freunde gemacht. In einer Untersuchung verschiedener Biersorten ('natur‘, Okt.'87) fand man im vergangenen Jahr bei einigen Brauereien chlorierte Kohlenwasserstoffe im Gerstensaft. Weil die Katalyse angeblich falsch gemessen hat, läuft nun eine Schadensersatzklage des Instituts, bei dem es um sechsstellige Beträge geht. „Wir haben richtig gemessen“, betont Barbara Krebs, „bisher hat dieser Rechtsstreit unserem Image oder dem Vertrauen uns gegenüber nicht geschadet.“

Uli Kämper, ebenfalls Katalyse-Mitglied, weist darauf hin, daß man regelmäßig an sogenannten Ringversuchen teilnähme. Von einer staatlichen Stelle oder auch von der Arbeitsgemeinschaft ökologischer Forschungsinstitute (AGöF), an die die Katalyse angeschlossen ist, erhält man dabei eine unbekannte Probe, die analysiert und das Ergebnis überprüft wird. Bei diesen Prüfungen sei es bisher nie zu Beanstandungen gekommen.

Mehr Unruhe im Verein gab es allerdings um die im Frühjahr erfolgte Privatisierung des Labors. Der Verein hat es an drei Labor-Mitarbeiter verkauft, die sich als Environmental Chemical GmbH (ENVIC) selbständig gemacht haben. Vorausgegangen war eine Entwicklung, in der der Wirtschaftsbetrieb des Labors immer mehr die Aktivitäten der Katalyse bestimmt. Die ehemals aktiven ehrenamtlichen Arbeitsgruppen waren teilweise oder ganz eingeschlafen, alles drehte sich um das Labor. Die Laborleute befürchteten ihrerseits, der Verein könne über die Mitgliederversammlung in ihre Arbeit hineinreden oder gar bestimmen, wer dort arbeiten soll. Auch gab es wohl Meinungsverschiedenheiten im Selbstverständnis: Wollte man hauptsächlich eine politische Gruppe sein oder ein Forschungsinstitut? Das zeigt sich schon in der Namensgebung. Nannte man sich früher mit politisch-alternativer Einfärbung „Katalyse Umweltgruppe“, so findet man später den nüchternen und seriöser klingenden Namen „Katalyse Institut für angewandte Umweltforschung“.

Inzwischen hat man wieder eine einvernehmliche Arbeitsteilung gefunden. Beauftragt die Katalyse das Labor mit einer Untersuchung, muß dafür bezahlt werden; allerdings erhält Katalyse vom Labor für jeden vermittelten Auftrag eine Provision.

Barbara Krebs ist überzeugt, daß die Trennung richtig war. Das Vereinsleben sei wieder belebt, fünf Arbeitsgruppen arbeiten wieder aktiv und die Strukturen seien wieder erfrischend dezentral geworden.