Nicht hip, nicht Hippie

■ Pierre Moerlen's Gong spielten am Dienstag im Modernes Jazz-Rock der 90er vor Holzschuhen und Blumenkindern

Sie hätten „mit hoch komplizierter Kiffer-Musik in den Siebzigern die Hippies verzückt“, schreibt das Kursbuch treffend über Gong, und so ganz hat Pierre Moerlens Gruppe trotz neuer Besetzung dieses Image nicht abstreifen können. Im Modernes waren sie am Dienstag zahlreich vertreten, mit langem Haar und Schlabber-outfit, in Birkenstock und einer gar in Holzschuhen.

Wen wundert's, daß die jungen Menschen, die das Bier zapfen und alle ganz furchtbar hip sind, sich manchmal naserümpfend mokierten.

Dabei ist es inzwischen eigentlich müßig, darüber zu spekulieren, was die Musik von Gong einst in den Wohnküchen der Land-WGs so beliebt machte: Zur Zeit versucht Drummer Moerlen, sein Flagschiff mit vollen Segeln in den zweiten Wind zu legen: „Second Wind“ heißt die aktuelle LP, eingespielt wurde sie im Hastedter Krea-Studio von Hans Münch.

Die Band spielt wie in der Ursprungszeit wieder mit zwei Vibraphonisten, Stefan Traub heißt der zweite Mann neben Benoit Moerlen; er ist Aktivposten für den aktuellen Sound der Band. Während Benoit Moerlen nach wie vor zuständig ist für programmatisch über wenige Takte lau

fende, sich wiederholende Figuren, die häufig das Grundgerüst der Stücke bilden (und oft daran erinnern, daß der, der diese Art Musik erfunden hat, Mike Oldfield heißt), durchbricht Traub das Konzept mit sehr schönen Ausflügen in den Jazz - man hört meist, wo er gelernt hat. Gong klingt überraschend modern, die oft synchron gespielten Vibraphone zaubern auf elektronischem Weg beinah rätselhaft viele Sounds. Pierre Moerlen zieht mit seinem schnellen Beat die anderen manchmal fast ein wenig zu vehement, und der Gitarrist Ake Zieden gibt den meisten Stücken die angemessene Dosis Rock-Power.

In der Mitte des Sets scheint eine Zeit lang die Luft raus zu sein, eine Hommage an Alan Holdsworth gerät eher langweilig, bevor im zweiten Teil Stefan Traub mehr Raum zur Darstellung bekommt. Meist dann gewinnt die Musik von Gong '88 über die Reminiszenz an Vergangenes hinaus einen gewissen zeitlosen Charakter, der dem Anspruch des Bandleaders, Jazzrock für die 90er Jahre zu machen, gerecht wird. Hip ist sie sicher nicht, aber in die Hippie-Ecke braucht sich die Band nicht mehr stellen zu lassen.

Rainer Köster