Grenzsetzung-betr.: taz-intern, Prozeß einer Grenzziehung

betr.: taz-intern, Prozeß einer Grenzziehung

Nein! Ich ärgere mich nicht mehr, daß die taz „gaskammervoll“ mit deutschen „RedakteurInnen“ besetzt ist, die durch das, was sie an die Geschichte ihrer Eltern erinnert, sich dermaßen gekitzelt fühlen, daß sie einen furiosen gedanklichen Ergießungsanfall bekommen. Die Polit -Pornographie in diesem Blatt beschränkt sich übrigens nicht nur auf Frauen und Juden, sondern wird mittlerweile allen Menschen, bevorzugt aber „farbigen“, zuteil.

O-Ton-taz - nicht etwa 'Bild‘ - vom 5. November auf der Titelseite: „Löwe frißt Dieb. Einige Knochen, ein Führerschein und ein Personalausweis waren die Reste einer Löwenmahlzeit im Tierpark von Harare. Ein Mann, der in das Gehege gestiegen war, um das Löwenfutter zu klauen, hatte sich ausgerechnet das gefährlichste Exemplar ausgesucht“.

Ein unglücklicher, womöglich hungriger, schwarzer Mensch als „Löwenmahlzeit“ - noch ein „Tabubruch“ in der taz.

Die junglinken DeppInnen, die die Redaktionsräume der taz füllen („Ich beschäftige mich nämlich nicht mit deutscher Geschichte“), besitzen nicht nur die Gnade der späten Geburt, sondern auch die Nachteile einer verspäteten Entwicklung. Als solche sind sie nur zu bemitleiden, auch wenn sie einiges Gemeinsame mit ihren KollegInnen von der 'NAZ‘ (Nationalzeitung) vorweisen. (...)

Yossi Ben-Aktiva, Wankheim

Seit langem empören und erschrecken mich antisemitische, rassistische und frauenfeindliche Äußerungen, durch die sich besonders die Artikel von Droste, Höge, Kapielski u.a., in der Verantwortlichkeit der zuständigen KulturredakteurInnen veröffentlicht, auszeichnen. (...) Mich erschreckt nicht nur, daß Artikel und Äußerungen mit diesem Inhalt überhaupt und permanent in der taz stehen, sondern wie klein der gemeinsame Nenner in der linken taz offenbar geworden ist, wie schwer es für euch ist, diesen Nenner inhaltlich und wenn nötig, auch personell umzusetzen.

Dabei vertreten die stellvertretend genannten RedakteurInnen überhaupt keine ernsthaften Positionen, mit denen man sich auseinandersetzen könnte. Sie scheinen noch nicht einmal eigene Grundsätze und Zielvorstellungen zu haben - außer denen, keine zu haben. Hauptsache ist Selbstdarstellung und Profilierung um jeden Preis. Nach den Kosten wird nicht gefragt. Die Verbindung mit „der Linken“ scheint eher beliebig. Die einzige Möglichkeit, sich in diesem Spektrum zu profilieren, besteht offenbar darin, aus dem kleinsten gemeinsamen Konsens, nämlich u.a. der Ablehnung antisemitischer und rassistischer Tendenzen auszubrechen. (...) Das Ausbrechen geschieht, indem mühsam erarbeitete Sensibilität als „Verklemmtheit“ und „Vermufftheit“ entlarvt wird. Die eigene (Schein -)Souveränität wird demonstriert, indem zum Beispiel faschistisch besetzte Begriffe als schnodderiges Stilmittel benutzt werden.

Bei Einigen von Vielen, denen es stinkt, daß politische und moralische Grundsätze vielfach zu abgestorbenen Ritualen verkommen sind, treffen Droste & Co. auf einen offenen Nerv, scheinen sie doch verknöcherte Tabus zu brechen und den linken Mief zu lüften. Sie scheinen aber nur, denn sie brechen nicht wirklich Tabus, indem sie das Verdrängte ans Licht der Auseinandersetzung zerren, sondern sie tun nur so und haben außer scheinradikaler Rotzigkeit inhaltlich nichts anzubieten.

Dennoch sind die Leute durchaus ernst zu nehmen, weil sie eine Tendenz des Verlusts oder der Aufgabe moralischer und politischer Grundsätze repräsentieren, die weit verbreitet ist. Eine solche Haltung ist der Boden, auf dem zunehmend Unempfindlichkeit gegenüber neuen (alten) antisemitischen Einstellungen, gegenüber gesellschaftlicher und persönlicher Vergiftung/Zerstörung entstehen kann. Sie macht (noch) wehrlos(er) und verhindert die Entwicklung lebenswerter Utopien. (...)

Irina Borowski, Berlin 36

Zur Klarstellung: Auch ich finde dieses Wortspiel „gaskammervoll“ schlichtweg beschissen.

Trotzdem: Worin unterscheidet ihr euch im Ergebnis noch von diesen Kapitalistenärschen, wenn ihr eine im allgemeinen Schlagabtausch hingerotzte Bemerkung nach einer mehrstündigen und intensiven Diskussion“ zum Anlaß nehmt, gegenüber zwei Redakteurinnen (nicht darunter der Schöpfer dieses unseligen Wortspiels) die Machtkeule „Entlassung“ zu schwingen?

Es ist so verdammt einfach, tagtäglich die üblen Machenschaften und Saubermännermethoden der Wirtschaftsbonzen anzuprangern, aber im eigenen Kollektiv statt permanenter Auseinandersetzung und eventueller Überzeugungsarbeit in Alles-oder-Nichts-Manier rauszusanieren, was sich nicht 100 prozentig auf Linie bringen läßt. Diese soziale Entgleisung der Hardliner -Fraktion kotzt mich mehr an als die intellektuellen Tretminen eines Kapielski oder Droste.

Ralph, Berlin 36

Der bei euch aufgetretene Konflinkt ist für mich ein gutes Beispiel für den in der taz auch voranschreitenden „Zeitgeist-Journalismus“. Ich habe mich schon länger nicht mehr der Qual unterworfen die „Medien„seite zu lesen, da sich dort keinerlei Informationen über Medien und Medienentwicklung finden lassen. Sie ist degeneriert zum Spielfeld eitler SchreiberInnen, die unter Beweis stellen wollen, wie mensch mit geringstem Arbeitsaufwand plakative Effekthascherei produzieren kann. Dies entspricht einer schon länger in der alternativen Medienszene zu beobachtenden Tendenz den Radau vor kompetente und arbeitsintensive Recherche zu stellen. (...)

Es geht allein um den Knalleffekt und da ist dann kein Begriff zu schade, Hauptsache er führt dazu, daß über den Artikel - oder besser noch den/die AutorIn gesprochen wird. Wie heruntergekommen diese Form von Journalismus ist, zeigt sich dann eben daran, daß wahllos Begriffe aus dem Wörterbuch der Unmenschlichkeit verwandt werden. Der Zweck scheint diesen Publizisten jedes Mittel zu rechtfertigen. Gleichzeitig zeichnen sich die Artikel häufig durch äußerst geringen Informationswert aus - klar, Recherche ist teuer, ein Anreißer und dann 100 Zeilen fetziges Geschreibsel geht halt leicher von der Hand...

Ich weiß manchmal nicht, was mich mehr erschreckt, dieser Journalismus, der sich überall in den Szeneblättern breit macht oder die LeserInnen die so etwas akzeptieren und oft auch noch begeistert sind. Um nicht mißverstanden zu werden, ein Zeitungsartikel ist keine Seminararbeit, aber wenn die taz dauerhaft eine Lebensberechtigung behalten will, muß Recherche und verantwortungsvoller Journalismus vor knalliger Berichterstattung gehen. (...)

Philippe Ressing, Die Grünen im Bundestag, Bonn 1

Liebe Vera, ich schreibe dir, weil ich eure Entscheidung im „Prozeß einer Grenzziehung“ nicht nur für selbstverständlich und zugleich aller Unterstützung wert halte. Ich schreibe dir auch, weil ich, wie eigentlich noch nie seit es diese Zeitung gibt und seit über sie nachgedacht wurde, vom politischen Gewicht derselben durch sie selbst überzeugt worden bin.

Die Entschiedenheit, die ich in eurer Erklärung fand, hat mich berührt. Ich hatte, mit der deutschen Geschichte und den Verbrechen der Nazi-Jahre auch in der taz beschäftigt, bisher mit einem Fatalismus auf rassistische Einsprengsel im Blatt reagiert, den euer Votum zum Rausschmiß wie weggewischt hat.

Eure Entscheidung ist doppelt wichtig: als Kontinuum von '68 und als Fußnote zum Gedenkjahr '88.

Johannes Winter, Rosbach

Die taz hat es geschafft, am gleichen Tag (4.11.), an dem selbstanklagend seitenlange Erklärungen zu den Geschmacklosigkeiten der letzten Woche abgegeben wurden, wieder solch einen „Ausrutscher“ unbemerkt abzudrucken.

Da heißt es in dem Bericht zur IWF-Tagung von M.Klein: „Warum haben Japaner Schlitzaugen? - damit sie besser fotografieren“. Daß solche Sätze ungehindert bei euch alle Instanzen passieren, zeigt, wie gut ihr den links -intellektuellen Rassismus perfektioniert habt.

Vorschlag: Laßt euch am Ende jedes Monats eine Liste dieser „Unfälle“ von euren LeserInnen erstellen, damit ihr wißt auf wen ihr in Zukunft verzichten könnt. (...)

Michael G. Smith, Berlin 31

Ich finde, das Plenum der taz hat eine richtige Entscheidung getroffen; wenn die Äußerungen und die Haltung der Redakteurinnen so waren wie berichtet, sollte sich die taz von ihnen aus den genannten Gründen trennen.(...)

Worum es doch geht, scheint mir die Frage zu sein, ob eine sich im Trend einer Kunstrichtung liegende Haltung des Tabu oder Grenzverletzens zur politischen und öffentlichen Haltung einer (linken) Zeitung machen kann. Wir sind eben in bezug auf die deutsche Geschichte nicht so frei, wie die ungeheuer kontingente Kunst in bestimmten Fällen suggeriert. (...)

Georg Lohmann, Berlin 19