Litauen vertagt eigene Verfassung

■ Bedenken gegen Gorbatschows Verfassungsänderung bleiben / Proteste im Kaukasus

Vilnius (afp/ap) - Der Oberste Sowjet von Litauen hat gestern die ursprünglich geplante Entscheidung über eine neue Republik-Verfassung bis zur Sitzung des Obersten Sowjet der UdSSR am 27.November vertagt. Die Delegierten folgten damit dem Vorschlag ihres Parteichefs Brasauskas. Brasauskas hatte sich vorige Woche zu Konsultationen mit der Regierung in Moskau aufgehalten. Die litauische Bewegung für die Perestroika „Sajudis“ bezeichnete den Beschluß als „große Enttäuschung für ganz Litauen“. Das Parlament hatte lediglich das Litauische als Staatssprache anerkannt, ebenso die historische litauische Fahne und Hymne als offizielle Symbole.

Einen Tag nach dem Beschluß des estnischen Parlaments, gegen Gesetze der sowjetischen Zentralregierung gegebenenfalls ein Veto einzulegen, ist Parlamentspräsident Arnold Ruutel nach Moskau zitiert worden. Er soll an einer Sitzung der Gesetzes-Kommission des obersten Sowjet teilnehmen.

Das Präsidium des Obersten Sowjet der UdSSR will die Entscheidung des estnischen Parlaments rechtlich anfechten. Ein Sprecher der estnischen „Volksfront“, Edgar Sevisaar, sagte dazu, nicht nur 56 Prozent der estnischen Bevölkerung, sondern auch zehn Prozent der Russen in Estland seien nach Umfragen dafür, im Notfall aus der UdSSR auszuscheiden, falls ihre parlamentarische Initiative scheitert.

Gegen eine Minderung der Autonomie ihrer Republiken durch Gorbatschows Verfassungsprojekt demonstrierten bereits am Mittwoch 200.000 Armenier in Eriwan und etwa 5.000 Georgier in Kutaissi, der zweitgrößten Stadt ihrer Sowjetrepublik.