„Mein einziger Wunsch ist, da wieder rauszukommen“

Der Bielefelder Oberbürgermeister Klaus Schwickert (SPD) zu den vergeblichen Versuchen, seine Anteile am Pleitereaktor von Hamm-Uentrop loszuwerden / „Die betiligten Stadtwerke überfordert das sonst vollkommen“  ■ I N T E R V I E W

taz: Herr Schwickert, die Stadtwerke Bielefeld sind indirekt mit etwa neun Prozent am Hochtemperaturreaktor in Hamm -Uentrop beteiligt. Welche Belastungen und Risiken sieht der Oberbürgermeister durch den Betrieb des Reaktors?

Klaus Schwickert: Der THTR 300 ist einmal konzipiert worden als Beginn einer neuen Reaktorlinie. Er sollte runde 700 Millionen Mark kosten. Diese Summe hat sich mittlerweile auf vier Milliarden erhöht. Ich bin der Auffassung, daß ein Energieversorgungsunternehmen unserer Größe sich an einem Forschungsreaktor nicht beteiligen kann. Die Kosten sind schon jetzt nicht absehbar, kein Mensch weiß, wohin sie sich entwickeln.

Wann sind denn die Stadtwerke in das Projekt eingestiegen?

Das war in den sechziger Jahren. Damals war man der Meinung, man müsse neben den Leichtwasser- und Druckwasserreaktoren eine zweite Linie entwickeln und dürfe dies nicht Bund und Land allein überlassen. Da herrschte eine gewisse Euphorie.

Warum ist es heute, nachdem sich der damalige Schritt als falsch erwiesen hat, nicht möglich, die Anteile am THTR einfach abzustoßen?

Wir finden keinen Käufer! Das ist selbstverständlich versucht worden. Aber es hat niemand Interesse gezeigt. Wir kriegen unsere Anteile nicht mehr los.

Haben Sie auch beim Hauptgesellschafter, den Vereinigten Elektrizitätswerken (VEW), nachgefragt?

Wir haben auch das versucht. Immerhin konnten wir vereinbaren, daß wir keinen Strom aus dem THTR abnehmen müssen. Das ist immerhin schon etwas. Der Strom, der dort produziert wird, ist teuer.

In dieser Woche hat die Hochtemperatur -Kernkraftwerkgesellschaft (HKG) gefordert, die finanzielle Absicherung durch Bund und Land von 450 Millionen auf etwa eine Milliarde zu erhöhen. Stehen Sie hinter dieser Forderung?

Ja. Das ist eine Maßnahme, die einfach erforderlich ist, um allen anstehenden Risiken gegenüber gewappnet zu sein. Die beteiligten Stadtwerke, nicht nur die in Bielefeld, überfordert das sonst finanziell vollkommen.

Einmal mehr soll die öffentliche Hand die Finanzmisere auffangen.

Eine andere Lösung wäre möglicherweise, daß große Energieunternehmen, zum Beispiel die RWE, miteinsteigen. Ich glaube aber nicht, daß die das tun werden. Die RWE-Leute können gut rechnen.

Der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Jochimsen, Ihr Parteifreund, hat Sie bereits vor sechs Jahren - am Telefon - um „Zurückhaltung in der Frage des Ausstiegs“ aus dem THTR gebeten.

Das ist richtig.

Schon damals wollten Sie also raus aus dem Projekt. Fühlen sie sich von der Landesregierung im Stich gelassen?

So möchte ich es nicht ausdrücken. Ich bin aber sehr froh darüber, daß ich frühzeitig 1982 und auch jetzt wieder in einem Brief an den Minister auf die noch nicht überschaubaren Risiken hingewiesen habe. 1982 hat Minister Jochimsen ja noch Wert darauf gelegt, daß wir drinbleiben, weil die Landesregierung mit dem Hochtemperaturreaktor Kohle veredeln wollte. Aber diese Perspektive ist ja heute nicht mehr da.

Sie haben Jochimsen darauf hingewiesen, daß die SPD ohne klare Vorstellungen darüber, wie es in Hamm weitergehen soll, nicht in die kommenden Kommunal- und Landtagswahlen ziehen kann.

Die SPD sollte getreu ihren Parteitagsbeschlüssen handeln. Wir haben beschlossen, daß wir uns auf weite Sicht von der Kernkraft trennen. Nun muß die Landesregierung die nötigen Schritte einleiten. Wenn der THTR wirtschaftlich nicht zu betreiben ist, dann muß man einen Schlußstrich ziehen. Ich hätte jedenfalls gern, daß Jochimsen einen Weg aufzeigt, wie wir unsere Anteile loswerden können. Mein einziger Wunsch ist, da wieder rauszukommen.

Interview: Gerd Rosenkranz